05.10.2024 |

Ist ein deutsches Testament in England formwirksam?

Gilt ein handschriftliches deutsches Testament ohne Zeugenunterschriften in England? Hat Brexit etwas geändert?

Nach dem Erbrecht (succession laws) von England und Wales ist ein Testament (last will) nur dann wirksam erreichtet, wenn das Testament, genauer gesagt die Unterschrift des Testamentserstellers, von zwei neutralen Zeugen (witnesses) schriftlich durch Unterschrift bestätigt wurde. Diese Zeugen bestätigen übrigens nicht den Inhalt des englischen Testaments (müssen bzw. dürfen das Testament also nicht lesen, wenn der Testamentsersteller den Inhalt vertraulich halten möchte), sondern die Zeugen bestätigen nur, dass der Testator dieses Testament tatsächlich selbst und in Gegenwart der Zeugen auf der letzten Seite unterschrieben hat. Details zur Funktion und den Aufgaben der Zeugen eines englischen Testaments hier: www.cross-channel-lawyers.de/das-englische-zwei-zeugen-testament/

Ein von einem Briten in England vollständig eigenhändig geschriebenes und unterzeichnetes Testament (holographic will) ist in England also formunwirksam und damit nichtig, wenn es nicht zusätzlich von zwei erwachsenen Zeugen bestätigt wurde, die keine Interessenkollision haben. Ein solches Testament ohne "witness attestation" hat dann keinerlei Wirkung und die Erbmasse wird nach den Regel der gesetzlichen Erbfolge verteilt.

Testament im Ausland: Gesetze zur internationalen Anerkennung von Testamenten

Ich habe im vorherigen Absatz bewusst formuliert "von einem Briten in England eigenhändig geschrieben", also ein Beispiel konstruiert, in dem ausschließlich englisches Erbrecht zur Anwendung kommt. Denn in internationalen Fallkonstellationen existieren etliche gesetzliche Vorschriften, die ein Testament unter Umständen noch "retten" können. Denn alle Rechtsordnungen haben ein Interesse daran, den tatsächlichen eines Testamentserstellers umzusetzen und die gesetzliche Erbfolge (intestacy rules) möglichst zu vermeiden.

Im internationalen Privatrecht (also den zivilrechtlichen Vorschriften für grenzüberschreitende Fallkonstellationen) existieren daher häufig Regeln zum Erbrecht, die ein Testament, das nach den nationalen Formformschriften zwar unwirksam wäre, trotzdem als wirksam anerkennen, zum Beispiel:

  • wenn das Testament den Formerfordernissen des Landes entspricht, dessen Staatsbürgerschaft der Testamentsersteller hatte (wenn also ein Deutscher irgendwo auf der Welt ein eigenhändiges Testament geschrieben hat)
  • wenn das Testament den Formerfordernissen des Landes entspricht, wo der Testamentsersteller das Testament geschrieben hat (wenn also ein Brite ein eigenhändiges Testament ohne Zeugen in Deutschland geschrieben hat)

Diese beiden Fallkonstellationen erkennen sehr viele Rechtsordnungen an und kommen somit im Ergebnis dann doch oft dazu, dass ein Testament wirksam ist, das auf den ersten Blick wegen Formmängeln unwirksam erscheint.

Anerkennung von ausländischen Testamenten als wirksam

Die EU Erbrechtsverordnung (EU Succession Regulation) ordnet in Artikel 27 an, dass ein Testament als formwirksam anerkannt wird, wenn es:

  1. dem Recht des Staates entspricht, in dem die Verfügung errichtet oder der Erbvertrag geschlossen wurde,
  2. dem Recht eines Staates entspricht, dem der Erblasser oder mindestens eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen ist, entweder im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung bzw. des Abschlusses des Erbvertrags oder im Zeitpunkt des Todes angehörte,
  3. dem Recht eines Staates entspricht, in dem der Erblasser oder mindestens eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen ist, entweder im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung oder des Abschlusses des Erbvertrags oder im Zeitpunkt des Todes den Wohnsitz hatte,
  4. dem Recht des Staates entspricht, in dem der Erblasser oder mindestens eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen ist, entweder im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung oder des Abschlusses des Erbvertrags oder im Zeitpunkt des Todes seinen/ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder
  5. dem Recht des Staates entspricht, in dem sich unbewegliches Vermögen befindet, soweit es sich um dieses handelt.

Nun sagen Sie vielleicht: OK, das mag zwischen Mitgliedsstaaten der EU gelten. Aber das Vereinigte Königreich ist ja kein EU-Mitglied mehr.

Stimmt, ist aber im Ergebnis egal: Die EU-Erbrechtsverordnung wendet diese Vorschriften innerhalb der EU auch auf alle anderen Staaten an. Wenn also jemand in England, dem Senegal oder in Chile ein Testament nach den dort geltenden Formvorschriften erstellt hat, dann wird dieses englische, senegalesische oder chilenische Testament in Deutschland, Italien, Polen etc. als wirksam anerkannt. Das steht - etwas schwer verständlich - in Artikel 20:

"Universelle Anwendung Das nach dieser Verordnung bezeichnete Recht ist auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedstaats ist."

Gilt ein deutsches Testament auch nach Brexit noch in England?

Jetzt sagen Sie wahrscheinlich: Mag ja sein, dass EU-Staaten die EU-Erbrechtsverordnung auf Testamente aus Staaten außerhalb der EU anwenden, aber das Vereinigte Königreich wird ja wohl spätestens seit Brexit die EU-Erbrechtsverordnung nicht anwenden! Richtig, das ist so. UK hat die EU-ErbVO auch vor Brexit schon nicht angewendet.

Aber auch das macht in der Praxis nichts, denn - siehe da - das nationale englische Recht hat seit vielen Jahren eine Vorschrift, die inhaltlich fast identisch ist mit Art. 27 EU ErbVO, nämlich Section 1 Wills Act 1963, der besagt (kürzer und knackiger als der Wortlaut der EU-Verordnung:

General rule as to formal validity: A will shall be treated as properly executed if its execution conformed to the internal law in force in the territory where it was executed, or in the territory where, at the time of its execution or of the testator’s death, he was domiciled or had his habitual residence, or in a state of which, at either of those times, he was a national.

Fazit

Nichteinhaltung von Formerfordernissen machen Testamente selten unwirksam, wenn wenigstens die Formvorschriften des Landes gewahrt sind, (i) dessen Staatsbürgerschaft der Ersteller hatte oder (ii) wo er es erstellt hat. Das deckt in der Praxis sehr viele Fälle ab.

Trotzdem können sich aus einem "fremden Testament" natürlich viele Probleme ergeben. So steht in deutschen Testamenten zum Beispiel selten, wer "Executor" sein soll. Das ist aber das Einzige, was den englischen Nachlassrichter interessiert. Umgekehrt steht in englischen Testamenten nicht, wer Erbe sein soll. Das führt oft zu schwierigen Auslegungsfragen und - bei zerstrittenen Familien - zu jahrelangen Erbschaftsstreitigkeiten (contentious probate). Der Super-Gau in einem deutsch-englischen Erbfall ist die Konstellation, in der das englische Testament dem Executor das Recht gibt, den Kreis der "residuary beneficiaries" nach eigenem Ermessen zu ändern. Das kann aus Sicht des deutschen Erbrechts nämlich eine verbotene "Delegierung der Erbeinsetzung" sein, was das englische Testament dann doch wieder nichtig macht, nicht wegen Formmängeln, sondern wegen inhaltlicher Verstöße gegen materielles deutsches Erbrecht.

Weitere Informationen zum deutsch-englischen Erbrecht

Kategorie: ErbrechtZivilprozesseNachlassplanungFamily Office

Autor
Bernhard Schmeilzl

Bernhard Schmeilzl

Rechtsanwalt & Master of Laws

+49 (0) 941 463 7070 schmeilzl@grafpartner.com

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