15.09.2024 |

Können Deutsche in England spontan heiraten?

Eine kurzfristige Hochzeit ist in England für Ausländer schwierig - seit Brexit auch für Deutsche

London, Manchester, Liverpool und Co. sind nicht Las Vegas, wo (angeblich) "same day marriages" möglich sind, wobei man auch da nicht alles für bare Münze nehmen darf, was man in Hollywoodfilmen sieht. Denn auch in Nevada müssen rechtliche Formalitäten eingehalten werden, soll es nicht nur eine rein symbolische Zeremonie ohne juristische Wirkung bleiben.

Ein Hochzeitsaufgebot (notice) ist in UK zwingende Voraussetzung

Voraussetzung für die rechtsgültige Schließung einer Ehe (marriage) oder einer Civil Partnership (die in UK übrigens nicht nur gleichgeschlechtlichen Paaren offen steht, sondern auch Hetero-Paaren) ist im Vereinigten Königreich die Bestellung eines Aufgebots (give notice) beim örtlich zuständigen Standesamt (local register office), und zwar mindestens 29 Tage vor dem geplanten Hochzeitstag. Diese Frist gilt für jedermann, also Briten wie Nicht-Briten. Details zum Aufgebotsverfahren in UK hier: https://www.gov.uk/marriages-civil-partnerships/give-notice.

Eine ganz spontane Heirat geht in Großbritannien also schon mal gar nicht, weder für Inländer, noch für Ausländer.

Nicht-Briten ohne (Pre-)Settled Status brauchen zudem ein Visum

Auch die 29 Tagesfrist ist für Nicht-Briten graue Theorie, wenn sie nicht bereits den "settled" oder wenigstens "pre-settled status" haben. Solche Ausländer (Ausnahme gilt für irische Staatsbürger) können nämlich nicht einfach nach England reisen, ein Aufgebot bestellen und dann nach Ablauf von 29 Tagen heiraten. Sie brauchen hierfür vielmehr zusätzlich zum Aufgebot noch ein spezielles "Heiratsbesucher-Visum" (Marriage Visitor visa), dessen Erteilung in aller Regel erheblich länger dauert als 29 Tage. Die Details zum "Marriage Visitor Visa (MVV)" auf der offiziellen Regierungs-Website: https://www.gov.uk/marriage-visa

Ob und welche anderen Visa (zum Beispiel ein Studentenvisum) eventuell zur Heirat in UK berechtigen, ohne dass man zusätzlich ein MVV" beantragen muss, unterliegt komplizierten Regeln, die man sich im Einzelfall genau ansehen muss (siehe Link unten), um zu vermeiden, dass einen der Standesbeamte (registrar) später am Heiratstag mangels korrekter Unterlagen wieder wegschickt.

Andere Rechte verleiht das Heiratsbesuchervisum nicht

Um Missverständnisse auszuschließen: Weder das MVV, noch die Heirat eines Ausländers im Vereinigten Königreich, geben diesem irgendwelche weitergehenden Rechte, als sich für eine gewisse Dauer in UK aufzuhalten. Das UK-Besucherheiratsvisum berechtigt ausdrücklich nicht:

  • zu Sozialleistungen (public funds or benefits)
  • dazu, Familienangehörige nach UK zu bringen
  • zu einem längerfristigen Aufenthalt in UK
  • dazu in UK zu arbeiten oder zu studieren

Das MVV ist also ein reines Besuchervisum allein zum Zweck der Heirat in UK. Die Details erläutert diese Verwaltungsrichtlinie für britische Standesbeamte: https://www.gov.uk/government/publications/visit-guidance

Wird eine Heirat in England vom deutschen Staat anerkannt

Ja wird sie, auch nach Brexit. Sofern die heiratswilligen Partner die Eheschließungsvoraussetzungen nach ihrem jeweiligen Heimatrecht erfüllen (für Deutsche siehe §§ 1303 ff BGB) und die Ehe formwirksam nach britischem Recht geschlossen wurde (also etwa nicht nur eine religiöse Zeremonie). Weitere Details dazu auf der Website des deutschen Auswärtigen Amtes:

Gilt für eine in UK geschlossene Ehe dann das englische Familienrecht?

Eine häufige Folgefrage: Gilt für Paare, die in England geheiratet haben, dann später im Fall einer Scheidung automatisch das englische Scheidungsrecht mit dem furchteinflößenden „equal split“ Prinzip, also der 50/50-Teilung des gesamten Vermögens?

Nein, durch Hochzeit auf der britischen Insel alleine nicht. Für die Frage, das Recht welchen Landes im Scheidungsfall zur Anwendung kommt, gelten komplizierte Vorschriften. Ebenso für die Frage der internationalen Zuständig des Familiengerichts. Der bloße Ort der Eheschließung ist hier aber kein relevantes Kriterium.

Der Autor ist Experte für deutsch-englisches Recht, insbesondere Prozessrecht, Familienrecht und Nachlassabwicklung. Weitere Informationen zum englischen Familienrecht, zu Eheverträgen und zur Scheidung in England finden Sie hier:

Kategorie: ZivilrechtFamilienrecht

Autor
Bernhard Schmeilzl

Bernhard Schmeilzl

Rechtsanwalt & Master of Laws

+49 (0) 941 463 7070 schmeilzl@grafpartner.com

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