Wie viel Zinsen berechnet das Erbschaftsteuerfinanzamt in England?
In Großbritannien wird die Erbschaftsteuer (Inheritance Tax) nicht vom jeweiligen Begünstigten, also dem individuellen Empfänger (Beneficiary) erhoben, sondern der Nachlass selbst (the Estate) ist Steuerschuldner. Es wird also der "Topf" besteuert, die Erbmasse als Sondervermögen. Erst danach wird der Netto-Nachlass (net residuary estate) an die einzelnen Begünstigten (Erben und Vermächtnisnehmer) verteilt. Daher sind auch nicht die einzelnen Begünstigten für die Abgabe der englischen Erbschaftsteuererklärung verantwortlich, sondern der Executor bzw. der Administrator (mehr zur Rolle von Executors und Administrators hier: Checkliste Nachlassabwicklung in England).
Verzugszinsen bei verspäteter Abgabe der Erbschaftsteuererklärung
Die Uhr tickt dabei ab dem Todestag des Erblassers ziemlich gnadenlos, denn die Executors bzw. Administrators haben nur sechs Monate Zeit, um die komplizierten englischen Steuerformulare auszufüllen (das IHT400-Formular mit Anlagen hat immerhin gut 100 Seiten) und beim englischen Finanzamt (HMRC) abzugeben. Hier eine Übersicht der Abgabefristen („due dates“) für die englische Erbschaftsteuererklärung.
Diese Nachlassabwickler sind für die Berechnung und rechtzeitige Zahlung der Erbschaftsteuer verantwortlich. Bei Fehlern haften sie dem Finanzamt im schlimmsten Fall persönlich. Details zur britischen Inheritance Tax und den Anrechnungsmöglichkeiten in diesem Beitrag hier: Erbschaftsteuer in UK
Ab dem siebten Monat berechnet das englische Finanzamt HMRC dann Zinsen, und zwar völlig verschuldensunabhängig. Auch wenn der Nachlassabwickler keine Chance hatte, die Steuererklärung früher abzugeben, etwa weil mehrere Monate gar nicht klar war, ob ein Testament existiert und wer somit Executor ist, oder weil man im Haus des Verstorbenen keine Bankunterlagen gefunden hat und daher die Vermögenslage erst mühsam und langwierig erforschert werden muss. Egal. Es laufen Verzugszinsen. Momentan (bei Erstellung dieses Beitrags im Juli 2024) sind das stattliche 7,75 Prozent. Streng genommen sind es keine "Verzugs"-Zinsen, da es ja nicht auf Verschulden ankommt. Das britische Finanzamt nennt die Zinsen daher auch nicht "default interest", sondern ganz nüchtern "inheritance tax interest". Die jeweils aktuellen Zinssätze sowie die historischen ZInssätze finden sich auf der offiziell Website GOV.UK hier: https://www.gov.uk/government/publications/rates-and-allowances-inheritance-tax-thresholds-and-interest-rates/inheritance-tax-thresholds-and-interest-rates
Zinsen bei gestundeter bzw. in jährlichen Raten gezahlter UK Erbschaftsteuer
Bei Erbfällen in UK hat das Thema Zinsen gegenüber dem Finanzamt auch aus einem anderen Grund erheblich höhere praktische Bedeutung als in Deutschland. Dies liegt daran, dass Erbschaftsteuern auf Immobilienvermögen (property, land) - wenn gewünscht - über zehn Jahre hinweg in jährlichen Raten (payment by yearly instalments) gezahlt werden kann. Hintergrund der Option auf Ratenzahlung ist, Erben, die vor allem ein Haus aber wenig bis kein Geldvermögen erhalten, nicht dazu zu zwingen, das Haus wegen der Erbschaftsteuer verkaufen zu müssen, sondern die Steuern über zehn Jahre hinweg abstottern zu können. Mehr dazu wieder auf GOV.UK hier: https://www.gov.uk/paying-inheritance-tax/yearly-instalments
Wer sich für diese Ratenzahlung entscheidet, was man auf dem Steuerfomular IHT 400 angeben kann, muss auf die jeweils verbleibende Rest-Erbschaftsteuerverbindlichkeit, ebenfalls die oben genannten Steuern zahlen. In der Niedrigzinsphase haben dies in UK viele Erben genutzt, bei Zinssätzen von über 7 Prozent macht das wirtschaftlich natürlich erheblich weniger Sinn. Natürlich kann der Steuerpflichtige, der die Ratenzahlungsoption gewählt hat, trotzdem jederzeit sofort den vollen Restbetrag zahlen und damit weitere Zinsen vermeiden.