Anwälte in UK dürfen Mandanten erst nach intensiver Prüfung annehmen
Wer in Großbritannien eine Anwaltskanzlei beauftragen will, egal um welches Thema oder Rechtsgebiet es sich handelt, erhält von der Kanzlei eine Mail oder einen Brief mit in etwa folgendem Text:
We will need to open a file before we are in a position to provide legal advice or carry out any work on your behalf. In order to open such a file, we will require the following ID documents from you:
(1) a certified copy of your valid passport or other official identification (e.g. a valid driving licence); and
(2) a utility bill or bank statement or mortgage statement in your name dated within the last 3 months and confirming your current home address.
Once the file is opened, we will write to you with our Client Care documentation and Terms of Business which you will need to sign and return to us before we can commence work.
Sie können sich daher von der Idee verabschieden, dass Sie Montag morgens einen Anwalt in England anrufen oder anmailen und dieser dann Montag nachmittag für Sie tätig wird. Die Vorlaufzeit für eine Mandatierung einer Anwaltskanzlei in UK ist mehrere Tage, wenn nicht Wochen. Zudem wird in aller Regel eine Honorarvorschusszahlung verlangt. Und in Mandaten, bei denen Sie größere Summen transferieren, etwa weil Sie eine Immobilie in UK kaufen oder einen teuren Zivilprozess führen, müssen Sie der englischen Anwaltskanzlei zusätzlich auch noch (schriftlich) erklären, woher Sie das Geld haben, sich das leisten zu können. All das läuft unter der Bezeichnung "client onboarding".
Die heiligen Kühe im UK Anwaltsrecht sind "KYC" und "AML"
Warum das alles? Nun, ein englischer Solicitor wird Ihnen hierauf antworten, dass das anwaltliche Berufsrecht der Solicitor Regulation Authority (SRA) sowie die strengen britischen Anti-Geldwäschegesetze eine solche rigorose Prüfung und Dokumentation in der Mandantenakte verlangen. Die Buzzwords für diese Prozeduren sind "Know Your Client" (KYC) und "Anti Money Laundering" (AML). Ob das englische Recht all dies wirklich so verlangt sei dahingestellt (siehe meinen Beitrag hier), in der Praxis kommen Sie nicht um diese Anforderungen herum.
Was ist der geringste Aufwand für mich als Mandant?
Suchen Sie eine englische Kanzlei aus, die wenigstens anbietet, die lästige Mandanten-Identifikation entweder mittels einer zertifizierten Know Your Client Online App durchzuführen oder per Video-Call mit einem Mitarbeiter der Kanzlei. Auch das ist noch umständlich genug: Sie halten dann Ihren Reisepass sowie ein offizielles Bank- oder Behördenschreiben in die Kamera (der Datenschutz interessiert in Großbritannien nicht) und machen dann zum Abgleich ein Foto von sich. All das wird dann in der Mandantenakte der britischen Kanzlei gespeichert, für den Fall, dass die englische Anwaltsaufsicht (SRA) ein Audit durchführt.
Woher haben Sie das Geld?
Wenn Sie eine Immobilie in UK kaufen oder ein sonstiges Investment tätigen, müssen Sie zudem "nachweisen", dass diese finanziellen Mittel kein Schwarzgeld sind und nicht aus kriminellen Machenschaften stammen. Wie machen Sie das? Nun ja, jetzt bitte nicht lachen, Sie schreiben genau das der englischen Anwaltskanzlei. Sie schicken zum Beispiel eine Mail mit der Erklärung: "Das sind meine Ersparnisse aus 30 Jahren Tätigkeit als Zahnarzt" oder "Ich habe das Geld von meiner Mutter geerbt".
Sie merken: Es geht nicht darum, einen wirklichen Beweiswert zu generieren, sondern nur darum, dass die englischen Solicitorkanzlei irgend etwas in ihrer Mandantenakte abspeichern kann, das diese im Fall eines Anwaltskammer-Audits vorzeigen und sagen kann: "Wir haben es geprüft!"
An dieser Stelle würden jetzt noch zwei bis drei Seiten sarkastische Ausführungen folgen, warum halb London russischen Oligarchen und saudischen Scheichs gehört. Das spare ich mir, denn Zweck dieses Beitrags ist es, Ihnen klar zu machen, dass Sie nicht darum herum kommen, das KYC und AML Spiel mitzuspielen und es nur darum geht, möglichst wenig Aufwand damit zu haben.
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Wir sprechen in diesem Artikel übrigens über Solicitors, nicht über Barrister. Letztere können Sie in der Praxis ohnehin nicht direkt beauftragen. Theoretisch gibt es "direct access barrister", aber als deutscher Mandant können Sie das vergessen. Mehr zu Solicitors und Barristers hier: Solicitors, Barristers und Solicitor Advocates – wer darf eigentlich was?