
Ehepartner, Eltern oder Großeltern haben Konten oder Depots in UK und werden langsam dement. Was tun?
Die kurze Antwort auf die Frage in der Überschrift lautet: Nein! Eine deutsche Vollmacht wird in UK nicht anerkannt. Nicht einmal eine notarielle Generalvollmacht. Werden die in Deutschland lebenden Familienangehörigen also geschäftsunfähig, etwa wegen Demenz, hat niemand mehr Zugriff auf die Bankkonten, Aktiendepots oder sonstigen Geldanlagen.
Denn: Nicht nur deutsche (Vorsorge-) Vollmachten sind in UK wertlos, sondern sogar ein deutscher Gerichtsbeschluss über die Bestellung eines Betreuers wird in UK (nach Brexit) nicht einfach so anerkannt. Stattdessen prüft das englische Pendent zum deutschen Betreuungsgericht, der englische Court of Protection, die Situation neu, inklusive medizinische Gutachten eines (im schlimmsten Fall englischen) Psychiaters.
In der Praxis bedeutet dies, dass die in UK liegenden Geldanlagen für viele Monate, meist sogar 3-5 Jahre blockiert sind. Und, dass die Erteilung eines englischen Gerichtsbeschlusses mehrere tausend Pfund an Gerichts-, Anwalts- und Sachverständigenkosten auslöst.
Lösung: Frühzeitig eine englische Vorsorgevollmacht (Lasting Power of Attorney) erstellen
Wer diese Probleme vermeiden will, erteilt frühzeitig einer Vertrauensperson eine in UK anerkannte Vorsorgevollmacht nach englischem Recht, dort genannt Lasting Power of Attorney (LPA). Die Formvorschriften für eine solche englische Vorsorgevollmacht sind allerdings erheblich strenger als nach deutschem Recht. In Deutschland genügt es, wenn man ein Formular aus dem Internet ausdruckt, ausfüllt und unterschreibt.
In England muss man stattdessen ein offizielles LPA-Standardformular ausfüllen, dieses vor zwei unabhhängigen Zeugen (witnesses) unterzeichnen, dieses Dokument dann zusätzlich von einem ‘certificate provider’ offiziell beglaubigen lassen und das finale Originaldokument dann - gegen Zahlung einer Gebühr - offiziell im englischen Justizsystem registrieren lassen. Details hierzu in der Link-Liste am Ende des Beitrags.
Die Zahlung der Gerichtsgebühr ist ein lästiges Problem, weil die englische Justiz hier allen Ernstes einen Scheck in britischen Pfund verlangt. Einen solchen kann man sich zwar von einer deutschen Bank ausstellen lassen, aber das dauert meist mehrere Wochen und kostet unverhältnismäßig hohe Bankgebühren.
Alternative: Einer Vertrauensperson Bankvollmacht erteilen
Eine - zumindest theoretische - Alternative zur Lasting Power of Attorney (LPA) ist, dass der Inhaber des englischen Bankkontos einer Vertrauensperson, etwa einem nahen Verwandten, frühzeitig, also vor Beginn einer Demenz, direkt bei der englischen Bank eine Kontovollmacht erteilt. In der Praxis ist das aber nicht so einfach, denn britische Banken verlangen hierfür meist die persönliche Anwesenheit des Kontoinhabers (Vollmachtgebers) sowie der bevollmächtigten Person in einer Bankfiliale in UK. Zudem haben viele britische Banken die Regel, dass der Bevollmächtigte eine Wohnadresse in UK haben muss. Dieser auf den ersten Blick einfach erscheinende Ansatz funktioniert daher leider meist nicht, wenn Kontoinhaber oder/und die zu bevollmächtigende Person in Deutschland leben.
Konto in England auflösen
Die einfachste Lösung ist es daher, die Bankkonten und Depots in UK rechtzeitig aufzulösen und die Gelder nach Deutschland zu transferieren, wenn der Konto- oder Depotinhaber seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Alles andere führt zu praktischen Problemen, lange blockierten Geldanlagen und hohen Kosten.