04.08.2024 |

In England: Kein wirksamer Vertrag ohne Gegenleistung?

Was bedeuten die Begriffe Consideration, Deed und Promissory Estoppel?

Aus deutscher bzw. kontinentaleuropäischer Sicht denkt man: Vertrag ist Vertrag! Soll heißen, wenn ich mich zu etwas verpflichte, bin ich gebunden. Auf eine Gegenleistung kommt es da nicht unbedingt an, siehe Leihvertrag. Was soll da im englischen Vertragsrecht anders sein? Nun ja. Die Antwort ist: Leider so einiges!

Im deutschen sowie im restlichen europäischen Recht kommt ein Vertrag zustande durch Angebot und Annahme. Grundsätzlich ist die Vertragsvereinbarung dabei nicht an eine besondere Form gebunden, Verträge können daher also mündlich oder per Handschlag geschlossen werden. Es sei denn, dass das Gesetz einer besonderen Formvorschrift unterliegt.

Prinzipiell setzt ein Vertrag in England Leistung und Gegenleistung voraus

Im englischen Recht ist das nicht anders. Es gilt ebenso das Angebots-und Annahmeprinzip. Allerdings gibt es daneben noch eine weitere Voraussetzung: Um einen wirksamen Vertrag zu erzielen braucht es eine vertragliche Gegenleistung, eine sogenannte consideration.

Ein traditioneller Schenkungsvertrag wie wir ihn in Deutschland kennen ist nach diesem Prinzip daher nicht wirksam.

Wie hoch die Gegenleistung ist, ist dabei erstaunlicherweise egal. Die englischen Gerichte prüfen nämlich nicht, ob die vertragliche Gegenleistung angemessen ist. So kommt es oft zu Verträgen mit nominalen Werten und eine Immobilie kann schon mal für £1 verkauft werden. Peppercorn Verträge nennt man solche Transaktionen auch. One Peppercorn is enough!  Hauptsache irgend eine Form von Gegenleistung.

Verträge ohne (echte) Gegenleistung

Ausnahmen zu dem Erfordernis der vertraglichen Gegenleistung gibt es allerdings doch, denn auch im Bereich des Common Law kommt man ohne Leihe, Schenkung etc. nicht aus. Es gelten dann aber besondere Vorschriften, damit solche unentgeltlichen Verträge wirksam sind. Die Ausnahmen von der Regel sind Verträge als Deed oder mit Estoppel.

Deed

Wenn der Vertrag als sogenanntes Deed abgeschlossen wird, benötiget es keine Gegenleistung. Ein Deed ist ein schriftliches Dokument mit besonderen Formvorschriften durch das ein Interesse, ein Recht oder Eigentum übertragen wird. Die Formalitäten eines Deeds sind dabei nicht unkompliziert. Unter anderem muss ein Deed delivered werden, das heißt die Parteien müssen sich einig sein, dass der Vertrag als solches geschlossen wird. Der Vertrag muss dies ausdrücklich bei den Unterschriften der Parteien erwähnen: Oft liest man: Executed as a deed.

Promissory Estoppel

Eine weitere Ausnahme ist die Promissory Estoppel, eine Rechtsdoktrin des Common Law. In dem ersten Teil des Rechtsbegriffs steckt das Wort promise, also Verspechen.  Diese Rechtsdoktrin besagt, dass ein ohne Gegenleistung abgegebenes Versprechen verbindlich und durchsetzbar ist, wenn der Beklagte ein klares und eindeutiges Versprechen abgegeben hat. Kurz: Die Partei muss also etwas deutlich versprechen.

Fazit: Ein Schenkungsvertrag ist also doch auch englischen Recht möglich, wenn auch über Umwege, also mit strengen Voraussetzungen.

Bei Schenkungen ist das im deutschen Recht übrigens auch gar nicht so viel anders, denn Schenkungsverträge sind nur mit notarieller Beurkundung wirksam ( es gellten also sogar noch strengere Voraussetzugnen als die einer "deed"), es sei denn, die Schenkung wurde bereits erfüllt, dann ist der zunächst unwirksame Schenkungsvertrag durch Erfüllung geheilt, also wirksam. Verschiedene Wege führen also zu einem ähnlichen Ziel.

Kategorie: Vertragsgestaltung

Autor
Verena Roberts

Verena Roberts

Rechtsanwältin und Solicitor of England and Wales (practising)

+49 (0) 941 463 7070 roberts@englischesrecht.de

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