An "Charities" kann man in England unbegrenzt steuerfrei vererben. Aber gilt das auch für gemeinnützige Organisationen mit Sitz in Deutschland?
Die britische Inheritance Tax ist mit dem einheitlichen Steuersatz von 40% (sogar für die nächsten Verwandten wie Kinder, Enkel und Geschwister) extrem hoch. Von der UK Erbschaftsteuer komplett befreit sind nur der überlebende Ehegatte (spouse exemption) und eben die sogenannten "registered charities", also eingetragene, anerkannte gemeinnützige Organisationen.
In Großbritannien besteht daher für jeden, der sein Testament erstellen will und über die Verteilung seines Vermögens nachdenkt, ein hoher Anreiz, alles oder einen Teil davon (per Vermächtnis, also "legacy") an eine anerkannte gemeinnützige Stiftung (qualifying registered charity) zu vererben, jedenfalls wenn man keinen Ehegatten hat, dem man alles steuerfrei übertragen kann.
Was ist eine "qualifying registered charity" nach UK Erbschaftsteuerrecht?
Der britische Inheritance Act 1984 definiert in Section 23 die Vorausetzungen für eine als steuerprivilegiert anerkannte gemeinnützige Organisation: https://www.legislation.gov.uk/ukpga/1984/51/section/23.
Weitere Hilfestellung zum Thema gibt das "Inheritance Tax Manual", also die internen Anweisungen an britische Finanzbeamte:
- https://www.gov.uk/hmrc-internal-manuals/inheritance-tax-manual/ihtm11101
- https://www.gov.uk/hmrc-internal-manuals/inheritance-tax-manual/ihtm11112
Erfüllt eine Stiftung (charitable organisation) oder ein Verein (club) diese Voraussetzungen, sind Zuwendungen - egal ob zu Lebzeiten oder per Testament - in UK steuerfrei.
Stolperfalle für Deutsche mit Vermögen in UK
Vorsicht ist aber geboten, wenn der Testator in seinem Testament eine Charity benennt, die ihren Sitz nicht im Vereinigten Königreich hat, sondern etwa in Deutschland oder einem anderen EU-Land. Solche Fälle hatte ich in meiner Kanzleipraxis häufig: Deutsche, die einige Jahre in UK gelebt und gearbeitet haben und daher dort Konten oder Aktien besitzen, die der UK Erbschaftsteuer unterfallen. Oder Briten, die in Deutschland leben aber nach wie vor Vermögen in UK besitzen, das UK Inheritance Tax auslöst.
Erstellen solche Personen ein Testament (egal ob in Deutschland oder UK) und setzen zum Beispiel das Deutsche Rote Kreuz oder die Stiftung Deutsche Kinderkrebshilfe als Erben oder Vermächtnisnehmer ein, dann stellt sich die spannende Frage, ob das britische Finanzamt, das ja zumindest die in UK belegenen Vermögenswerte besteuern will, vielleicht sogar den gesamten weltweiten Nachlass (global estate), diese deutschen gemeinnützigen Organisationen als "qualifying registered charities" im Sinn des englischen Erbschaftsteuergesetzes (Inheritance Tax Act 1984) anerkennt.
Sind Charities außerhalb UK im Erbfall steuerfrei?
Ursprünglich erkannte das britische Finanzamt nur Charities mit Sitz in UK als steuerprivilegiert an. Der Europäische Gerichtshof (EuGH), auf englisch der European Court of Justice (ECJ), hat in seiner Entscheidung vom 27.1.2009 in Sachen Hein Persche gegen Finanzamt Lüdenscheid (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX%3A62007CJ0318) - wenig überraschend - klargestellt, dass es gegen EU-Recht verstößt, wenn Mitliedsstaaten nur nationale Charities als proviliegiert anerkennen. Nach EuGH müssen Mitgliedstaaten alle gemeinnützigen Organisationen innerhalb der EU gleich behandeln. Gewähren EU-Mitgliedstaaten also einheimischen gemeinnützigen Organisationen Steuerprivilege, dann gilt dies auch für Organisationen in allen anderen EU-Staaten.
Für alle Erbfälle bis zum Brexit ist also klar, dass das englische Finanzamt auch keine Erbschaftsteuer erheben darf, wenn in einem Testament Charities in einem EU-Land außerhalb UK begünstigt sind.
Was gilt seit Brexit?
Brexit selbst hat an der Rechtslage nichts geändert, da das britische Erbschaftstsuerrecht auch über den Brexit hinaus die Steuerbegünstigung für Charities in der EU gewährte. Noch genauer galt die Privilegierung für Charities in der EU plus Norwegen, Island und Liechtenstein (in der UK Finanzverwaltung bezeichnet als EEA Charities),
Neue Rechtslage gilt für Todesfälle ab 15.3.2023
Aber: Mit Wirkung zum 15. März 2023 hat die britische Regierung per "The Finance No (2) Bill 2022-23" angordnet, dass nur mehr Zuwendungen an gemeinnützige Organisationen mit Sitz im Vereinigten Königreich privilegiert werden.
Fazit für die Testamentsgestaltung deutsch-britischer Erblasser
Das britische Finanzamt HMRC erkennt für alle Sterbefälle ab dem 15.3.2023 nur mehr Zuwendungen (Schenkungen, Erbschaften, Vermächtnisse) an solche Charities an, die ihren Sitz in UK haben.
Weitere Informationen zum englischen Erbrecht und Erbschaftsteuerrecht
Der Autor ist seit gut 25 Jahren Experte auf dem Gebiet deutsch-britische Erbfälle und internationale Nachlassabwicklung. Auf seinen Blogs zum englischen Erbrecht finden Sie hunderte Beiträge zum Thema "Erbschaft in England"
- Checkliste Abwicklung eines Erbfalls in England
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