
Nachlassplanung über Generationen: Warum die lebzeitige Schenkung an Kinder unter Nießbrauchsvorbehalt in UK (steuerlich) keinen Sinn macht
Eine klassische Methode, um in Deutschland Erbschaftsteuer zu sparen, ist es, Immobilien oder auch Anteile am Familienunternehmen frühzeitig an die nächste Generation zu übertragen, sich als schenkender Elternteil aber ein Nießbrauchsrecht daran zurück zu behalten (§ 1030 BGB).
Mit dieser Steuergestaltung, meist als „vorweggenommene Erbfolge“ bezeichnet, kombiniert man zwei Vorteile: Erstens nutzt man den Schenkungssteuerfreibetrag von 400.000 Euro pro Elternteil pro Kind, der sich alle 10 Jahre erneuert, im Idealfall mehrere Male aus. Zweitens hat der schenkende Elternteil aber immer noch Zugriff auf die Immobilie oder die Geschäftsanteile, nutzt also die Immobilie entweder selbst oder streicht die Mieten ein. Bei Aktien, GmbH- oder sonstigen Geschäftsanteilen, erhält der Schenker über den Nießbrauch nach wie vor die jährlichen Gewinnausschüttungen und übt auch die Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung aus.
Deutsche Rechtsanwälte und Steuerberater raten ihren Mandanten daher regelmäßig zu dieser vorweggenommenen Erbfolge, also lebzeitige Übertragung von Vermögen auf die nächste oder/und übernächste Generation mit Nießbrauchsrückbehalt.
Vorweggenommene Erbfolge in England
Auch in Großbritannien suchen Rechts- und Steuerberater im Weg der Nachlassplanung (estate planning) nach Wegen, Erbschaftsteuer zu sparen, zumal die UK-Erbschaftsteuer (inheritance tax) satte 40 Prozent beträgt, sogar für Kinder. Details zu Erbschaftsteuern, Steuersätzen und Freibeträgen in England hier: www.cross-channel-lawyers.de/erbschaftssteuer-in-england-steuersatze-freibetrage-anrechnung/
In UK sollte das ja noch einfacher sein, weil dort lebzeitige Schenkungen komplett steuerfrei sind, sofern der Schenker nicht innerhalb von sieben Jahren ab der Schenkung stirbt.
Also, einfach die Wohnung in London oder die Cottage in Cornwall an die nächste Generation übertrage, sich ein lebenslanges Nutzungsrecht (life interest) eintragen lassen und schon geht das englische Finanzamt leer aus.
Das englische Finanzamt (HMRC) spielt leider nicht mit
Es gibt nur einen Nachteil: Das britische Finanzamt (His Majesty’s Renevue and Customs, HMRC) akzeptiert diese Steuergestaltung nicht. Lebzeitige Schenkungen lösen zwar in UK in der Tat keine Schenkungssteuer aus und – wie oben gesehen – auch keine Erbschaftsteuer, wenn es der Schenker schafft, noch mindestens sieben Jahre zu leben. Aber: Schenkungen können Capital Gains Tax (CGT) auslösen, also „Wertzuwachssteuer“. Die Differenz zwischen Wert des Schenkungsgegenstands bei dessen Anschaffung und dessen Wert jetzt zum Zeitpunkt der Schenkung muss als „hypothetischer Gewinn“ im Rahmen der Einkommensteuer versteuert werden. Mehr zur CGT allgemein hier: www.cross-channel-lawyers.de/die-capital-gains-tax-beim-hausverkauf-in-england/
Ausnahme beim Familienhaus: Private Residence Relief
Nun kennt das britische Steuerrecht aber die sogenannte „Private Residence Relief“, wonach beim Verkauf sowie bei der sonstigen Übertragung (z.B. an Kinder) keine Capital Gains Tax anfällt, wenn es sich bei der Immobilie um den Hauptwohnsitz, also die selbstgenutzte Familienimmobilie handelt. Jedenfalls bis zu einer gewissen Größe und einigen weiteren Voraussetzungen. Details zu diesem Steuerprivileg hier: www.gov.uk/tax-sell-home
OK, dann kann man eben die vermietete Wohnung in London und die Ferienhaus-Cottage in Cornwall nicht ohne CGT übertragen, aber wenigstens die selbst bewohnte Familienimmobilie kann man frühzeitig an die Kinder schenken und sich einen Nießbrauch daran zurückbehalten.
Oder?
Nießbrauch für den Schenker funktioniert in England trotzdem nicht
Nein, klappt leider auch nicht. Beim Familienheim entsteht bei einer lebzeitigen Übertragung in UK zwar keine Capital Gains Tax (und übrigens in aller Regel auch keine Grunderwerbsteuer, Stamp Duty: www.cross-channel-lawyers.de/briefmarkensteuer/), aber – wenn sich der Schenker ein Nutzungsrecht vorbehält (reservation of any benefit, reservation of life interest etc.) – dann sieht das britische Finanzamt dies steuerlich (!) nicht als tatsächlich ernst gemeinte Schenkung an (no genuine gift) und rechnet später beim Tod des Schenkers den Wert der geschenkten Immobilie einfach noch zum Nachlass hinzu und berechnet daraus Erbschaftsteuer.
Verwaltungstechnisch läuft das bei HMRC so, dass die UK Inheritance Tax Formulare – neben hundert anderen Fragen – auch eine Frage enthalten, ob der Verstorbenen irgendwann Schenkungen gemacht hat, bei denen er oder sie sich solche „benefits“ vorbehielt (also Wohnrecht, Nutzungsrecht etc.). Wenn man hier als Erbe oder Executor wahrheitsgemäß „yes“ ankreuzt, wird – wie gesagt – dieser Wert jetzt Berechnungsgrundlage für die UK Inheritance Tax. Macht man im Formular unrichtige Angaben, ist es (versuchte) Steuerhinterziehung, bei der die britischen Behörden mindestens so humorlos sind, wie das deutsche Finanzamt.
Fazit: Schenkung „pur“ ist in UK der einzige Weg der vorweggenommenen Erbfolge
Wer englische Erbschaftsteuer sparen möchte, kann dies relativ leicht erreichen. Man muss frühzeitig schenken und dann noch mindestens sieben Jahre leben. Der Schenkungsgegenstand sollte entweder Geld sein (da gibt es keine CGT) oder eine Sache, die keinen großen Wertzuwachs hatte.
Aber – anders als in Deutschland – darf man sich kein Wohnrecht, Nießbrauchs- oder sonstiges Nutzungsrecht an dem Schenkungsgegenstand vorbehalten, weil der geschenkte Wert sonst nicht endgültig aus dem Vermögen des Schenkers ausgegliedert ist und das britische Finanzamt die Erbschaftsteuer später trotzdem auch aus dem Schenkungswert berechnet, selbst wenn die Schenkung bereits Jahrzehnte her ist.
Weitere Details zu Schenkungen in England sowie von D nach UK und umgekehrt hier: www.cross-channel-lawyers.de/wie-werden-schenkungen-aus-oder-nach-england-besteuert/
Besondere Fallkonstellationen
Unerwartete Steuerfolgen kann es auslösen, wenn man eine Immobilie überträgt, auf die noch eine Hypothek (mortgage) eingetragen ist, je nachdem, wer diese Hypothek dann künftig abbezahlt.
Auch ein (Schein-)Verkauf zu weniger als dem Marktwert kann das englische Finanzamt auf den Plan rufen.
Weitere Informationen zu Steuern und Nachlassplanung in England
- Wohnsitz in England – die steuerlichen Auswirkungen in UK
- Übersicht aller Steuersätze und Freibeträge in Großbritannien
- Die „Capital Gains Tax“ beim Hausverkauf in England
Video zu Testamentsgestaltung bei Vermögen in Deutschland und England
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