23.10.2024 |

Berufshaftpflicht-Versicherung für Anwälte in England ist extrem teuer

Jahresbeitrag von 30.000 bis 100.000 Pfund pro Rechtsanwalt ist in England üblich

Deutsche Anwaltskollegen und deutsche Mandanten, die Solicitors in England beauftragen wollen, wissen in aller Regel nicht, welche aus deutscher Sicht absurd hohen Beiträge englische Solicitors (Barristers haben ein anderes Versicherungsystem) an ihre Berufshaftpflichtversicherung (professional indemnity insurance, PII) zahlen müssen. Deutsche Anwälte, denen für ihre Berufshaftpflicht (technisch korrekt: Vermögensschadenhaftpflicht) die Mindestdeckungssumme von 250.000 Euro ausreicht, weil sie keine Fälle mit hohem Schadenspotential bearbeiten, zahlen im Jahr oft unter 1.000 Euro Versicherungsbeitrag. Selbst bei höheren Deckungssummen von 1-2 Millionen Euro ist die jährliche Beitragsbelastung für deutsche Anwälte in aller Regel weit unter 2.000 Euro pro Jahr.

Englische Anwälte haben keinen Rechtsanspruch auf eine Berufshaftpflichtversicherung

Von solchen Jahresgebühren zwischen 1.000 bis 2.000 Euro können Solicitors in England nur träumen. Die allermeisten Anwälte zahlen auf der Insel sogar im Monat (!) mehr als 2.000 Pfund. Laut einer Untersuchung der englischen Rechtsanwaltskammer (Solicitors Regulation Authority, SRA) aus 2023 belaufen sich die durchschnittlichen Kosten für die professional indemnity insurance auf 5-10 Prozent des Jahresumsatzes. Bei einem Jahresumsatz von 400.000 Pfund zahlt ein englischer Solicitor als 20.000 bis 40.000 Pfund an seinen "Insurer", also das 20 bis 40fache seiner Anwaltskollegen in Deutschland. Details hier: www.sra.org.uk/pii-premiums-research

Wohlgemerkt im Durchschnitt. Hatte ein Solicitor bereits Haftungsfälle, kann die Versicherungsprämie bei 20 oder 30 Prozent liegen. Oder der Solicitor bekommt gar keine Versicherung mehr angeboten. Es besteht nämlich kein Rechtsanspruch. Tatsächlich sind die Kosten für die anwaltliche Berufshaftpflicht in England einer der Hauptgründe, warum Solicitors ihre Kanzlei aufgeben müssen. Sie bekommen es schlicht nicht mehr finanziert. Es spricht Bände, dass THE LAW SOCIETY auf ihrer Website in der Rubrik Professional Indemnity Insurance ganz ofen thematisiert, dass viele anwaltliche Berufseinsteiger oder Solicitor Firms Darlehen aufnehmen müssen, um ihre Haftpflicht-Prämien zu zahlen: www.lawsociety.org.uk/topics/professional-indemnity-insurance/renewing-your-firms-pii

Leistungsumfang und Deckung ist in England erheblich schlechter

Und all das bei erheblich schlechterer Leistung des Versicherers. Denn diese horrenden Gebühren sind keineswegs ein Freifahrtschein. Die Versicherungsgesellschaft will nämlich im Vorfeld, also vor Vertragsabschluss, ganz genau wissen, auf welchen Rechtsgebieten der Anwalt bzw. die Kanzlei in England tätig ist und welches Honorarvolumen zu erwarten ist. Berät ein Solicitor auf haftungsträchtigen Rechtsgebieten wie Immobilienrecht oder gar M&A und/oder vereinnahmt der Solicitor regelmäßig hohe Mandantenfremdgelder, dann ist die Versicherungsprämie noch erheblich höher als 10 Prozent des Umsatzes.

Die Kanzlei ist dann auch an diese Bedingungen gebunden. Hat ein Solicitor seinem Versicherer zugesagt, nur Fälle im Wohnungsmietrecht und einvernehmliche Scheidungen zu bearbeiten, dann kann die Kanzlei nicht einfach so ein lukratives Mandant auf einem anderen Rechtsgebiet annehmen. Jedenfalls nicht, ohne es dem Versicherer zu sagen und ggf. ein Upgrade zu vereinbaren.

Berufshaftpflichtversicherung muss jedes Jahr neu verhandelt und abgeschlossen werden

Für deutsche Anwälte ebenfalls verblüffend: Die Anwaltshaftpflicht verlängert sich in England nicht einfach automatisch, wenn sie nicht gekündigt wird, sondern Solicitors müssen die professional indemnity insurance jedes Jahr neu verhandeln. Die meisten Kanzleien nehmen hierfür die Dienste von Brokern in Anspruch. Dieses jährlich im April (parallel zum englischen tax year) stattfindende "Renewal" empfinden die meisten englischen Solicitors als Alptraum und Stress pur. Sie müssen der Versicherung alle möglichen Informationen und Kennzahlen offenlegen. Natürlich vor allem Beschwerden oder gar Schadensersatzforderungen von Mandanten. Im Extremfall erhält der Solicitor oder die Kanzlei schlicht kein Angebot von einem Versicherer. Mehr zur "renewal" hier: www.lawsociety.org.uk/topics/professional-indemnity-insurance/partner-content/april-2024-renewal-more-of-the-same

Dieser Aspekt erklärt auch, warum englische Anwaltskanzleien so paranoid die "know your client" und "anti money launderung regulations" einhalten, also von jedem Mandanten ganz penibel den Nachweis ihrer ID (Pass oder Führerschein), der Wohnanschrift (utility bill) und ggf. auch einen Nachweis über die Herkunft von Geldern (etwa für den Kauf einer Wohnung) verlangen. Sind all diese Dinge nämlich nicht sauber in der Akte dokumentiert, kommt es bei nächsten Kanzlei-Audit durch die Anwaltskammer (SRA) nämlich zu einer Rüge und einem offiziellen Vermerk. Details zur Mandatierung eines einglischen Solicitors hier: www.englischesrecht.de/blog/warum-es-umstaendlich-ist-einen-anwalt-in-england-zu-mandatieren

Ja, liebe deutsche Anwaltskolleginnen und Kollegen, die englische Anwaltskammer führt regelmäßig Audits in Solicitor Firms durch und prüft unter anderem die Führung von Mandantenakten, den Umgang mit Mandanten-Fremdgeld u.a.m. Wohlgemerkt nicht etwa bei Beschwerden von Mandanten, sondern anlasslos, einfach zur regelmäßigen Kontrolle.

Weitere Informationen zum Anwaltsberufsrecht in England

Rechtsanwälte in England, sowohl Solicitors als auch Barristers, unterliegen erheblich strengeren berufsrechtlichen Regularien als deutsche Anwälte. Im Praxishandbuch zum Zivilprozess in England beschreibe ich das im Vergleich zu BRAO und BORA sehr verschiedene Anwaltsberufsrecht in Großbritannien im Detail.

Beitragsfoto lizensiert von Dreamstime

Kategorie: Anwaltsrecht

Autor
Bernhard Schmeilzl

Bernhard Schmeilzl

Rechtsanwalt & Master of Laws

+49 (0) 941 463 7070 schmeilzl@grafpartner.com

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