Vorteile und Risiken des Kaufes einer Leasehold Immobilie in England
Historisch gehört alles Land auf den britischen Inseln der Krone, also dem König. Immobilien-"Eigentümer" erhalten ihre Rechte also nur "verliehen". Hierbei gibt es zwei Kategorien von Rechten an Land und Immobilien in England (rights in land and property). Freehold, das zeitlich unbefristet ist und daher sehr nah an unsere kontinentaleuropäische Vorstellung von Eigentum kommt, und "leasehold", ähnlich - aber nicht völlig identisch - mit dem deutschen Erbbaurecht, auch Erbpacht genannt (https://www.gesetze-im-internet.de/erbbauv/BJNR000720919.html). Der Erwerb von Immobilien auf "leasehold" Basis ist in UK aber viel weiter vertbreitet als die Erbpacht in Deutschland.
Etwa 20 Prozent aller Immobilien werden in England und Wales als "leasehold" gehalten, in Großstädten wie London, Manchester, Liverpool usw. sogar bis zu 35 Prozent, vor allem Wohnungen (flats). Details dazu hier: https://www.gov.uk/government/statistics/leasehold-dwellings-2020-to-2021/leasehold-dwellings-2020-to-2021
Was ist Leasehold (Erbpacht) nach englischem Recht? Was Sie vor dem Kauf wissen sollten
Leasehold (Erbbaurecht) und Freehold (Volleigentum an einem Haus oder einer Wohnung) sind mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten verbunden. Nicht einmal die meisten Briten können die rechtlichen Unterschiede und praktischen Konsequenzen genau beschreiben. Sie brauchen also keine Hemmungen haben, ihren englischen Anwalt oder Makler nach den Details zu fragen.
In der Praxis werden meist Wohnungen (flats) oder Mehrparteienhäuser als Leasehold zum Verkauf angeboten. Freistehende Häuser eher selten, Ausnahme bestätigen die Regel.
Was fehlt bei Leasehold im Vergleich zu Freehold?
Beim Freehold-Ownership (Volleigentum) haben Sie und alle Ihre Nachfahren (Erben) das uneingeschränkte Recht an der Immobilie, also dem Grund und Boden sowie dem darauf stehenden Bauwerk. Und zwar „für immer“. Nun ist das mit der Ewigkeit aber so eine Sache. Die allerwenigsten Familien leben seit vielen Generationen in derselben Immobilie bzw. auf demselben Grund und Boden. Landwirte und Adelige einmal ausgenommen. In der Realität wird auch das Volleigentum irgendwann weiterverkauft, entweder vom Eigentümer selbst oder von dessen Erben. Vielleicht hätte also auch ein langfristiges Nutzungsrecht an der Immobilie genügt, wenn dieses im Vergleich zum Volleigentum preisgünstiger ist.
Genau das bietet Leasehold (Erbbaurecht / Erbpacht). Anstatt die Immobilie (theoretisch) „für immer“ zu besitzen, also an ihre Urururur-usw.-Enkel weitergeben zu können, wie es beim Freehold der Fall wäre (aber in der Praxis so gut wie nie geschieht), erhalten Sie (und Ihre Erben!) bei Leasehold das Recht, die Immobilie für den in der Lease-Urkunde definierten Zeitraum (in der Regel zwischen 99 und 999 Jahren) zu bewohnen.
Dieses Leasehold-Nutzungsrecht ist dabei nicht an Sie persönlich gebunden. Falls Sie es sich irgendwann anders überlegen und wegziehen möchten, können Sie das erworbene Leasehold-Recht, also die Restlaufzeit (remaining lease) weiterverkaufen, jedenfalls wenn diese Leasehold-Restlaufzeit noch mindestens 80, besser 90 Jahre beträgt. Darunter wird es für den Käufer meist schwierig bis unmöglich, einen Bankkredit zur Finanzierung des Kaufs zu bekommen.
Aber: Dass eine Lease tatsächlich ganz ausläuft, ist in aller Regel nur ein theoretisches Risiko. Denn nach englischem Recht hat ein Leasehold-Eigentümer das Recht, vom Freehold-Eigentümer die Verlängerung der Laufzeit (lease term) zu verlangen.
Details dazu hier: https://www.gov.uk/leasehold-property/extending-changing-or-ending-a-lease
Weitere Unterschiede zwischen Freehold und Leasehold in England
Wer ein Haus oder eine Eigentumswohnung in „Volleigentum“ (freehold) kauft, dem gehören sowohl der Grund und Boden als auch die gesamte Bausubstanz der Immobilie, wobei das Eigentumswohnungen schon wieder nur eingeschränkt gilt, da hier manche Teile der Immobilie im „Gemeinschaftseigentum“ stehen, also allen Wohnungseigentümern gemeinsam gehören. Wer also uneingeschränktes ewiges Alleineigentum erwerben will, muss sich ein freistehenden Haus kaufen.
Bei Leasehold erwirbt der Leasehold-Eigentümer zwar mehr als ein bloßes vertragliches Nutzungsrecht wie beim Mietvertrag, aber weniger als bei Freehold Eigentum. Wo ist nun genau die Grenze?
Einem Leasehold-Eigentümer „gehört“ während der Laufzeit der Lease – jetzt wird es lustig - die Gebäudestruktur im Inneren des Leasehold-Objekts „bis zur Mitte der Wände, des Bodens und der Decke“.
Die äußere Struktur, also die äußere hälfte der tragenden Wände, sowie die Gemeinschaftsbereiche außerhalb der eigenen Wohnung gehören dem Freehold-Eigentümer, der dafür im Gegenzug auch in aller Regel für deren Instandhaltung verantwortlich ist, aber die Kosten wiederum meist auf den Leaseholder umlegen kann. Ob und in welchem Umfang, steht im Leasehold-Vertrag.
Es wird langsam klar, warum der Kauf eines Leasehold-Objekts rechtlich komplexer ist, als ein Freehold-Kauf. Der Freeholder hat alle recht, muss aber auch alle Kosten tragen. Beim Leasehold-Eigentümer ist das Verhandlungssache. Leasehold-Käufer sollten also sehr genau prüfen, wer in welchem Umfang für Reparaturen und Instandhaltung verantwortlich ist.
Der Kaufpreis für eine Leasehold-Wohnung ist rechtlich gesehen somit eine Nutzungsgebühr für einen bestimmten Zeitraum. Der reine „Kaufpreis“ ist dabei aber oft gar nicht das entscheidende Kriterium. Denn es kommt mindestens ebenso stark darauf an, wie hoch die Leasehold-Nebenkosten sind, also:
- die monatlichen Erbbauzinsen (leasehold rent)
- die monatlichen Hausverwaltergebühren (service charges for property management)
- die monatlichen Nebenkosten für Verbrauch
Man kann Leasehold somit auch als eine langfristige Miete betrachten, bei der die Miete für etliche Jahrzehnte im Voraus bezahlt wird, der Mieter dafür aber auch das recht hat, das Mietobjekt an den nächsten Mieter weiter zu „verkaufen“.
Wenn ein Leasehold-Eigentümer meint, dass ihm überhöhte Nebenkosten in Rechnung gestellt wurden, kann er den Fall zur Überprüfung vor das First-tier Tribunal (Property Chamber) bringen.
Vor- und Nachteile des Kaufs einer Leasehold-Immobilie
Wer eine Eigentumswohnung in einer Großstadt kaufen will, hat faktisch kaum eine andere Wahl als Leasehold, weil solche Eigentumswohnungen kaum als Freehold angeboten werden.
Aber auch Hauskäufer, vor allem Erstkäufer (first time property buyers) entscheiden sich in England oft für Leasehold, weil es schlicht günstiger ist als Freehold.
Die Nachteile des Leasehold sind schlicht und ergreifend die Verwaltungs- und Nebenkosten. Platt formuliert: Sie haben nicht die Rechtsposition eines Volleigentümers (Freeholder), zahlen aber alles, was ein Freeholder zahlen müsste, weil der echte Volleigentümer versucht, alle Kosten auf den Leaseholder abzuwälzen (bis auf die mit der Grundsubstanz verbundenen Kosten, aber das ist sehr wenig).
Der "Cladding Scandal" nach dem Brand des Grenfell Hochhauses ⸻
Was versteht man unter dem "englischen Fassadenskandal"? (Cladding Scandal)
Der katastrophale Großbrand im Londoner Grenfell Tower am 14.6.2026 (zum Hintergrund siehe hier https://www.bbc.com/news/uk-40301289) veranlasste die Freehold-Eigentümer von Hochhäusern in ganz Großbritannien, Brand- und Gebäudesicherheitsinspektionen durchzuführen. Dabei stellte sich heraus, dass viele Hochhäuser mit viel zu leicht brennbaren Fassadenverkleidungen gebaut worden waren. Dies musste und muss immer noch nachgebessert werden, wobei die Freehold-Eigentümer die dadurch entstehenden erheblichen Kosten der Brandschutzrenovierung auf die Leasehold-Eigentümer der einzelnen Wohnungen umlegen wollen. Leaseholdern in ganz England wurden fünfstellige Beträge in Rechnung gestellt, um diese Mängel zu beheben, obwohl diese für die Baumängel nicht verantwortlich sind. Dieses Thema läuft in den britischen Medien unter „cladding scandal“ oder „cladding crisis“ („cladding“ für Hausfassade).
Im Juni 2022 trat ein Gesetz über Gebäudesicherheit in Kraft, nach dem Leaseholder, die in Gebäuden mit einer Höhe von mehr als 11 Metern oder fünf Stockwerken leben, nicht mehr für die Beseitigung solcher Sicherheitsmängel aufkommen müssen, sondern vielmehr die Freeholder hierfür die finanzielle Verantwortung tragen.
Weitere Nachteile des Leasehold
Ein weiterer Nachteil ist, dass der Leaseholder keine Veränderungen an der Immobilie vornehmen darf, ohne dass der Freeholder zustimmt. So müssen Sie beispielsweise die Erlaubnis des Eigentümers einholen, wenn Sie Änderungen an Ihrer Wohnung vornehmen wollen, in manchen Fällen sogar das Verlegen von Holzfußböden. Möglicherweise dürfen Sie Ihre Wohnung nicht einmal untervermieten, sie nicht als Geschäfts- oder Büroraum nutzen oder ein Haustier halten.
Sehr vielen Leasehold-Käufern (auch Briten, nicht nur ausländischen Käufern) ist gar nicht bewusst, dass sie eigentlich nur die Position eines Mieters haben, der für alles um Erlaubnis fragen muss, wenn die Leasehold-Terms dies nicht anders regeln.
Wer ohne die Zustimmung des Freehold-Eigentümers bauliche Änderungen vornimmt, kann sich erhebliche rechtliche Probleme und Kosten einhandeln. Im schlimmsten Fall kann der Freeholder die Lease aus wichtigem Grund kündigen.
Zwar gibt es in England Gesetze zum Schutz von Leasehold-Eigentümern, aber allein über die Rechte streiten zu müssen, kann Gerichtskosten im hohen vierstelligen oder fünfstelligen Bereich auslösen.
Was geschieht am Ende der Lease-Periode?
Ich habe oben bereits erklärt, dass in der Praxis die Laufzeit (lease term) immer wieder rechtzeitig verlängert wird (meist deutlich bevor die Restlaufzeit 90 Jahre unterschreitet). Der Leaseholder hat in aller Regel auch einen rechtlichen Anspruch darauf, dass der Freeholder ihm eine Laufzeitverlängerung gewährt. Nämlich wenn er ein sog. „qualified leaseholder“ ist, d.h. selbst eine Leasehold von mindestens 21 Jahren erworben hat. Das ist fast immer der Fall.
Im Allgemeinen gilt: Je länger der verbleibende Mietvertrag ist, desto günstiger ist die Verlängerung. Im Durchschnitt kostet die Verlängerung eines 90-jährigen Mietvertrags etwa 8.000 £, während ein 60-jähriger Mietvertrag über 30.000 £ kosten kann.
Wird die Lease (ausnahmsweise einmal) nicht verlängert, etwa weil der Leaseholder kein Interesse daran hat, dann geht das uneingeschränkte Eigentum an der Immobilie wieder auf den Freeholder über.
Warum sind manche Leasehold Terms 999 Jahre?
Die Standard-Dauer eines Erbpachtvertrags beträgt in der Regel 125 Jahre, wenn eine Immobilie zum ersten Mal gebaut wird. Häufig findet man in Leasehold-Verträgen aber auch Laufzeiten von 999 Jahren. Hintergrund ist, dem Leasehold-Käufer ein psychologisches Gefühl von „Ewigkeit“ zu vermitteln.
Lassen Sie sich jedoch nicht von dem Begriff "virtuelles Erbbaurecht" täuschen, mit dem englische Bauträger und Makler oft werben. Soll suggerieren, dass man „tatsächlich Freehold“ erwirbt, weil die Laufzeit so lang ist. Das trpgt aber. Denn es kommt weniger auf die Laufzeit an, sondern darauf, wer Verwaltungs- und Renovierungskosten trägt und wie hoch der Wiederverkaufswert ist.
Darf man eine Leasehold-Immobilie renovieren?
Ja und nein. Wenn Sie Eigentümer einer Erbpachtimmobilie sind, können Sie in der Regel kleinere Arbeiten wie Maler- und Tapezierarbeiten sowie Küchen- und Badezimmerrenovierungen durchführen, ohne um Erlaubnis fragen zu müssen. Bei größeren Änderungen wie dem Einbau von Fenstern oder anderen baulichen Veränderungen müssen Sie jedoch Ihren Lease-Vertrag prüfen, ob Sie dazu berechtigt sind.
In vielen Fällen müssen Sie die ausdrückliche Erlaubnis des Freehold-Eigentümers einholen, um Änderungen vornehmen zu dürfen. Das ärgerliche daran: Diese Erlaubnis ist kostenpflichtig. Sie müssen also dem Freeholder eine Genehmigungsgebühr dafür zahlen, dass Sie dessen Immobilie renovieren!
Fazit: Ein Leasehold-Kauf nur nach sehr genauer Prüfung aller Unterlagen!
Bei einem Freehold-Kauf erwerben Sie alles, was Sie sehen. Bei einem Leasehold-Kauf erwerben Sie dagegen nur ein (wenn auch sehr langfristiges) Nutzungsrecht. Was Sie während dieser Nutzungsperiode mit und in der Immobilie konkret dürfen und – vor allem – was Sie zusätzliche zum Kaufpreis an Kosten für laufende Verwaltung und Renovierung tragen müssen, steht in den Unterlagen, teilweise gut versteckt ind in schwer verständlichem altmodischem Juristen-Englisch. Also nicht nur auf den Leasehold- Kaufpreis achten, sondern auch auf die konkreten Leasehold Terms, die viele Käufer für unwichtig halten und erst lesen, wenn die ersten hohen Rechnungen vom Property Manager eintrudeln.
Gesetzesänderungen für Leasehold
Potentielle Leasehold-Käufer sollten sich auch mit den aktuellen Gesetzesänderungen und weiteren geplanten Gesetzen zum Schutz von Leaseholdern vertraut machen, insbesondere dem Leasehold Reform (Ground Rent) Act 2022 (verfügbar hier: https://www.legislation.gov.uk/ukpga/2022/1/contents), in Kraft seit 30. Juni 2022. Das Gesetz regelt, dass bei neuen Leasehold Agreements, Wohnungen oder Häusern nur noch eine "Grundmiete", d. h. ein nominaler Betrag von z. B. einem Pfund (sogenannte "peppercorn rent"), erhoben werden darf. Damit wird der als unfair angesehen Praxis ein Riegel vorgeschoben, in das Leasehold Agreement Klauseln einzufügen, nach denen sich der Erbbauzins nach einer gewissen Zeit verdoppelt und immer weiter steigt. Das Gesetz gilt aber nicht für bestehende Leasehold Agreements.
Weitere Informationen zum Immobilienrecht und Mietrecht in England
- Immobilienkauf in England: Grafische Übersicht und Checkliste
- Immobilienkauf in England: Tipps für die Praxis
- Wie hoch ist die Grunderwerbsteuer in England?
- Grundbuchauszug in England (Beispiel)
- Wie vererbt man Immobilie im Ausland ohne Erbschein? Joint Tenants!
- Zusätzlicher Erbschaftsteuerfreibetrag für Immobilien in England