30.01.2025 |

Verträge für die Ewigkeit: Geht das im englischen Recht?

Erlaubt das englische Recht Verträge ohne jede Kündigungsmöglichkeit?

Kann man sich (von der Ehe einmal abgesehen) vertraglich für die Ewigkeit binden? Also einen Vertrag abschließen, ohne jede Möglichkeit, sich davon wieder zu lösen?

Mit dieser Vorstellung haben viele Rechtsordnungen ein Problem: Im Schweizer und französischen Recht etwa ist der Abschluss unkündbarer „ewiger“ Verträge, auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr, gar nicht erst zulässig.

Das deutsche Recht wiederum entzieht immerhin das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund (§ 314 BGB) bei Dauerschuldverhältnissen der Disposition der Parteien. Anders formuliert: Bei Dauerschuldverhältnissen muss wenigstens eine Kündigung aus wichtigem Grund immer möglich sein. Versucht der Vertrag, dies auszuschließen, ist diese Ausschlussklausel unwirksam. Aber auch der Ausschluss ordentlicher Kündigungsrechte (also ohne wichtigen Grund) bei auf unbestimmte Laufzeit geschlossenen Verträgen bzw. zu lange feste Vertragslaufzeiten können eine unangemessene Benachteiligung (§ 307 BGB) einer Vertragspartei darstellen oder gar sittenwidrig (§ 138 BGB) sein.

Kennt das englische Vertragsrecht „echte Ewigkeitsverträge“?

Wie so häufig im Vertragsrecht ticken im englischen Recht die Uhren dagegen anders, wie der kürzlich vom englischen High Court entschiedene Fall Zaha Hadid Limited v Zaha Hadid Foundation [2024] EWHC 3325 (Ch) veranschaulicht: Auch bei Bindungsversprechen für die Ewigkeit bleiben die Parteien nämlich grundsätzlich ihres eigenen (Un-)Glücks Schmied. Um nicht zu sagen: a contract is a contract is a contract...

Streitgegenständlich war ein auf unbestimmte Laufzeit geschlossener Markenlizenzvertrag zwischen dem (nach der weltberühmten, mittlerweile leider verstorbenen Architektin Zaha Hadid benannten) Architekturbüro Zaha Hadid Limited als Lizenznehmerin und der Zaha Hadid Foundation als Lizenzgeberin. Im Lizenzvertrag war für die Einräumung der nicht-exklusiven Lizenz zur Nutzung der Markenrechte des Namens „Zaha Hadid“ die Zahlung einer Lizenzgebühr in Höhe von immerhin 6 % des Jahresüberschusses der Lizenznehmerin vorgesehen. Das war der Lizenznehmerin schließlich zu viel Geld und sie versuchte sich daher vom Vertrag zu lösen. Der Wirksamkeit einer von ihr schließlich erklärten ordentlichen Kündigung des Lizenzvertrages (unter Berücksichtigung einer Kündigungsfrist von immerhin 12 Monaten) erteilte der High Court allerdings eine Absage.

Zwar entnimmt die englische Rechtsprechung auf unbestimmte Zeit geschlossenen Dauerschuldverhältnissen im Wege der (ergänzenden) Vertragsauslegung teilweise das Recht der Vertragsparteien, den Vertrag unter Berücksichtigung einer angemessenen Frist („on reasonable notice“) auch ohne Vertragsverletzung der anderen Vertragspartei ordentlich zu kündigen (für den Fall einer schwerwiegenden Vertragsverletzung (einem sog. „repudiatory breach“) stellt das Common Law dagegen bereits von Rechts wegen ein „termination right“ zur Verfügung).

Implizites Kündigungsrecht?

Auf ein solches implizites ordentliches Kündigungsrecht konnte sich die Lizenznehmerin hier aber schon deswegen nicht erfolgreich berufen, weil der auf unbestimmte Zeit geschlossene Lizenzvertrag (ordentliche) Kündigungsrechte zwar vorsah – leider aber ausdrücklich nur einseitig zugunsten der Lizenzgeberin. Eine Inhaltskontrolle von Laufzeitenregelungen und ordentlichen Kündigungsmöglichkeiten kennt das englische Recht nicht. Und schließlich konnte die Lizenznehmerin auch nicht mit dem § 138 BGB noch am nächsten kommenden (allerdings weit weniger individualschützenden) Argument durchdringen, die für sie ewige Vertragslaufzeit stelle einen unzulässigen „restraint of trade“ dar: Die im Lizenzvertrag vorgesehene Verpflichtung der Lizenznehmerin, ihre Dienstleistungen global stetig weiter auszubauen (und dafür Lizenzgebühren zu zahlen) stelle nämlich vielmehr ein „encouragement of trade“ dar.

Vertragslaufzeit und Kündigungsmöglichkeiten immer sorgfältig regeln

Wer also auf unbestimmte Zeit laufende Dauerschuldverhältnisse nach englischem Recht abschließen will, ist gut beraten, der vertraglichen Regelung zu Laufzeit und Kündigungsmöglichkeiten ganz besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Das Vertragsrecht kommt den Parteien, die die Gestaltung dieser Klausel und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen nicht hinreichend bedacht haben, im Zweifel nämlich nicht zur Hilfe.

Beitragsfoto von Gerd Altmann auf Pixabay

Kategorie: WirtschaftsrechtVertragsgestaltung

Autor
Prof. Dr. Patrick Ostendorf

Prof. Dr. Patrick Ostendorf

Solicitor in England & Wales - Master of Laws (King’s College London)

+49 (0) 941 463 7070 patrick.ostendorf@htw-berlin.de

Weitere Beiträge ⸻

14.02.2025

Barrister oder Solicitor: Wer ist der Boss?

Wer in UK einen Rechtstreit führt, braucht zwei Typen von Rechtsanwälten: Solicitor und Barrister. Warum das in Großbritannien so ist und welche Aufgaben die jeweiligen Anwälte erfüllen, erkläre ich …
11.02.2025

Barristers: Die englischen Edel-Anwälte

Wer im Vereinigten Königreich Rechtsrat oder anwaltlichen Beistand in einem Zivilstreit oder einem Strafverfahren benötigt, steht einer verwirrenden Anzahl verschiedener Anwaltsberufe gegenüber. …
11.02.2025

Der "Solicitor Advocate" in England: Allzweck-Werkzeug oder Schmalspur-Anwalt?

Wer in England einen Rechtsanwalt braucht, hat die Wahl zwischen einem Solicitor, einem Barrister und einem Solicitor Advocate. Nun, eigentlich hat man nur die Wahl zwischen Solicitor und Solicitor …

MELDEN SIE SICH JETZT FÜR UNSEREN NEWSLETTER AN!

Jetzt anmelden