
Ist ein deutsches Testament in UK überhaupt gültig?
Wer seinen (Haupt-)Wohnsitz in Deutschland hat, daneben aber auch Vermögen in Großbritannien oder auf einer britischen Insel besitzt, zum Beispiel Jersey, Guerney oder der Isle of Man, stellt sich irgendwann die Frage, ob ein deutsches Testament (sei es eigenhändig oder in notarieller Form) in diesen Ländern als wirksam anerkannt wird?
Denn in den vom englischen Common Law beeinflussten Rechtsordnungen muss ein Testament ja in aller Regel von zwei Zeugen mitunterzeichnet werden, damit es formwirksam und gültig ist. Manchmal gibt es Abweichungen (in Schottland genügt zum Beispiel ein einzelner Witness), aber ein lediglich eigenhändig geschriebenes Testament ohne jede Bestätigung durch einen Zeugen (also der typische Standardfall in Deutschland) wäre in diesen genannten Ländern nicht gültig, weil die Formerfordernisse (Zeugen) nicht erfüllt sind. Details zum englischen Zwei-Zeugen-Testament hier.
Aber!
Viele Länder akzeptieren solche "ausländischen" Testamente trotzdem als formwirksam, wenn diese Testamente wenigstens den Anforderungen desjenigen Landes entsprechen, dessen Staatsangehörigkeit der Testamentsersteller besaß, oder wenn es die Regeln des Ortes erfüllt, an dem er das Testament erstellt hat.
Wenn also etwa ein deutscher Staatsbürger in England ein eigenhändiges Testament erstellt, dann ist es zwar auf den ersten Blick mangels Zeugen (witnesses) in England unwirksam, auf den zweiten Blick wird es aber durch die Anerkennung der ausländischen (also deutschen) Formvorschriften doch gültig. Für das Gebiet des gesamten Vereinigten Königreichs (also England, Wales Schottland und Nordirland) steht dieser Grundsatz der Anerkennung ausländischer Testamente in Section 1 Wills Act 1963:
General rule as to formal validity. A will shall be treated as properly executed if its execution conformed to the internal law in force in the territory where it was executed, or in the territory where, at the time of its execution or of the testator’s death, he was domiciled or had his habitual residence, or in a state of which, at either of those times, he was a national.
Umgekehrt wäre ein computergeschriebenes Testament, das vom Erblasser unterzeichnet und von zwei Zeugen bestätigt wurde, in Deutschland unwirksam, weil es weder eigenhändig noch notariell beurkundet ist. Wenn der Testator dieses Testament aber zum Beispiel in England unterzeichnet hat und von den Zeugen bestätigen ließ, dann erkennt das deutsche Nachlassgericht es trotzdem als wirksam an, weil die EU Erbrechtsverordnung in Artikel 22 Abs. 1 li. a) regelt:
Formgültigkeit einer schriftlichen Verfügung von Todes wegen
(1) Eine schriftliche Verfügung von Todes wegen ist hinsichtlich ihrer Form wirksam, wenn diese: a)dem Recht des Staates entspricht, in dem die Verfügung errichtet oder der Erbvertrag geschlossen wurde, b) ...
Art. 22 EU ErbVO sieht dann noch etliche weitere Fälle vor, in denen Testamente von den EU-Mitgliedstaaten (außer Irland und Dänemark) als wirksam anerkannt werden müssen, auch wenn diese nicht die nationalen Formerfordernisse dieses Mitgliedstaats erfüllen.
Zwischenfazit: Entspricht das Testament wenigstens den Formvorschriften des Errichtungslandes oder des Landes, dessen Nationalität der Testamentsersteller hat, dann wird das Testament innerhalb der gesamten EU (außer Irland und Dänemark) sowie in England und Wales anerkannt.
Getrenntes Testament für das Vermögen in England hat mehrere Vorteile
Somit könnten sich deutsche Testamentsersteller also beruhigt zurück legen, da das eigenhändige oder notarielle Testament wegen Section 1 Wills Act 1963 auch in England als formwirksam anerkannt wird. Nun ja, schon, aber die optimale Lösung ist es dennoch nicht. Denn ein deutsches Testament bestimmt typischerweise keinen Executor, sondern "nur" die Erben und ggf. noch Vermächtnisnehmer.
In Common Law Rechtsordnungen wie England ist aber der Executor die zentrale Figur. Er nimmt den Nachlass in Besitz, wickelt diesen ab und haftet gegenüber Gläubigern und dem Finanzamt. Nur dieser Executor (auch personal representative genannt) steht in der Regel im englischen Nachlasszeugnis. Die Begünstigten (beneficiaries, also Erben und Vermächtnisnehmer) sind dagegen aus Sicht des Common Law für das Nachlassverfahren (probate) gar nicht so wichtig.
Warum die Position des Executors im Common Law so ungemein bedeutsam ist und wie sich die Abwicklung von Erbschaften in England und Deutschland unterscheiden, erkläre ich in diesen Beiträgen hier:
- Erbschaft in England - Checkliste für die Abwicklung eines englischen Nachlasses
- Das Tatbestandsmerkmal "meddling with the estate"
- Bedeutet Executor-Klausel immer auch Testamentsvollstreckung in Deutschland?
Will man also auf Basis eines deutschen Testaments ein Nachlasszeugnis in England beantragen, dann geht das zwar meist, es ist aber oft unklar, wer die Rolle des "personal representative" übernehmen soll. Man muss also das deutsche Testament auslegen und gegenüber dem englischen Nachlassgericht argumentieren, was der Testamentsersteller gewollt hätte.
Diese Unklarheit kann man vermeiden, wenn man in das deutsche Testament einen Passus für das englische Nachlassgericht einfügt, etwa:
"Für mein Vermögen im Vereinigten Königreich bestimme ich Jens Jensen zum Executor, ersatzweise Paula Paulsen. Diese Executor-Bestellung gilt nur für UK und bedeutet ausdrücklich keine Anordnung der Testamentsvollstreckung für meinen deutschen Nachlass."
Mit einer solchen Klausel vermeidet man längere Diskussionen mit dem englischen Probate Registry über die Frage, welcher der Erben die Rolle des Executors übernehmen darf (bzw. muss).
Auch das ist aber oft immer noch nicht die optimale Lösung. Es spricht nämlich einiges dafür, für sein Vermögen in Großbritannien oder anderen Common Law Ländern, ein eigenständiges, getrenntes Testament in englischer Sprache zu erstellen, das im ersten Absatz klarstellt, für welche Länder es gelten soll. Inhaltlich muss das separate Testament aber natürlich trotzdem auf das "Haupttestament" abgestimmt sein.
Fünf überzeugende Gründe für ein separates Testament bei Vermögen im Ausland
Warum sollte man nun sein UK-Vermögen nicht einfach im deutschen Testament mit-regeln? Für ein eigenes, separates Testament sprechen die folgenden Gründe:
- Das Nachlassverfahren in England geht dann deutlich schneller: Will man den englischen Grant of Probate auf Basis des deutschen Testaments beantragen, dann verlangt das englische Gericht nach einer vom deutschen Gericht beglaubigten und mit Apostille versehenen Kopie (denn das Originaltestament muss ja beim deutschen Nachlassgericht abgegeben werden und bleibt dort im Archiv des Gerichts). Eine solche beglaubigte Kopie mit Apostille dauert 4-6 Wochen und Kosten Gebühren.
- Kostenersparnis: Existiert kein separates Testament für UK, muss man das deutsche Testament durch einen vereidigten Übersetzer ins Englische übertragen lassen, ggf. auch wieder mit Apostille. Die Übersetzung kostet - je nach Länge des Testaments - einige hundert Euro.
- Zudem verlangt das englische Nachlassgericht oft auch ein juristisches Gutachten ("Affidavit of Law") zum deutschen Testament, also eine formelle Stellungnahme eines deutschen Juristen (Rechtsanwalt oder Notar) mit eidesstattlicher Versicherung ("I give oath and say that..."), in der dieser deutsche Rechtsexperte bestätigt, was das deutsche Testament für England bedeutet, wer also die Rolle des "personal representative" ausüben darf. Das gilt vor allem, wenn es sich um ein deutsches notarielles Testament handelt, weil dann in Deutschland kein Erbschein nötig ist. Es ist ja gerade der Vorteil eines notariellen Testaments, dass die Erben in Deutschland dann keinen Erbschein brauchen. Für das Nachlassverfahren in UK wandelt sich das allerdings in einen Nachteil um: Weil man keinen deutschen Erbschein hat, den man dem englischen Gericht vorlegen kann, wird das englische Gericht hier oft misstrauisch und verlangt eben als Ersatz für den deutschen Erbschein ein Affidavit of Law, das erhebliche Kosten auslöst. Hat man dagegen für England ein separates Testament in englischer Sprache und mit zwei Zeugen, liefert man einfach dieses Original in UK ab und spart sich alle genannten Probleme und Kosten.
- Man kann einen Executor speziell für den englischen Nachlass bestellen, der gut Englisch spricht und sich mit den englischen Verfahrensregeln sowie den UK Erbschaftsteuern auskennt. Das entlastet die Erben in Deutschland.
- Keine Veröffentlichung des ausführlichen deutschen Testaments im englischen Online-Testamentsregister: Das Haupttestament in Deutschland bleibt vertraulich. Denn was viele nicht wissen: Im englischen Erbrecht wird ein Testament vom UK Nachlassgericht im Volltext veröffentlicht und bleibt dauerhaft für jedermann offen einsehbar, ohne dass man hierfür ein berechtigtes Interesse nachweisen muss.
Um das plastisch vor Augen zu führen, werfe ich in meinen Vorlesungen und Seminaren immer das vollständige ausführliche Testament des 2001 verstorbenen Beatles-Mitglieds George Harrison an die Wand des Hörsaals, das - wie gesagt - für jedermann im Volltext und ohne Schwärzungen als PDF Download online abrufbar ist, also mit allen im Testament enthaltenen Klarnamen, Geburtsdaten und Wohnanschriften. Eine Horrorvorstellung für jeden deutschen Datenschützer. Details zum öffentlichen Testamentsregister (Probate Records) von England und Wales (in Schottland gelten andere Regeln) in diesem Beitrag: Verwandter in England gestorben: Wie erfährt man, was im Testament steht? Diese Testamentsdatenbank des englischen Nachlassregichts darf man nicht mit dem National Will Register verwechseln. Dort kann man - freiwillig - zu Lebzeiten sein Testament registrieren, damit es später im Todesfall auch gefunden wird. Das hat aber nichts mit der zwingenden und von Amts wegen durch das englische Gericht (probate registry) erfolgenden Veröffentlichung des englischen Erbscheins und des Testaments nach Eintritt des Todesfalls zu tun.
Wer nicht möchte, dass sein ausführliches Haupttestament später einmal von jedem, also auch von neugierigen Familienmitgliedern oder Nachbarn, gelesen wird, erstellt besser ein separates Testament nur für England, das kurz und knapp gehalten wird und im Wesentlichen nur den Executor und die Begünstigten bestimmt, ohne Detailangaben zum Nachlass.
Wem auch das schon zu viel Transparenz ist, der kann - wie die meisten hochvermögenden Briten (high net worth families) sowie fast alle Prominente (celebrities) das tun, bereits zu Lebzeiten einen Trust errichten, in den sie ihr Vermögen einbringen. Solange sie leben, sind sie selbst Trustee und verwalten ihr Vermögen für sich selbst. Die Trust-Urkunde regelt aber auch, wer mit ihrem Tod dann der Nachfolge-Trustee wird (surrogate trustee) wird. Dieser Surrogate Trustee verwaltet ab dem Tod das Vermögen dann für die in der Trusturkunde bestimmten Begünstigten. Der Clou dabei: Niemand braucht einen UK-Erbschein, denn es wird alles über den Trust geregelt. Allerdings: Erbschaftsteuer kann man dadurch nicht umgehen, die fallen trotzdem an.
Weitere Beiträge zum Erbrecht in England und zur Nachlassplanung bei Vermögen in mehreren Ländern
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