
Erkennen englische Scheidungsgerichte deutsche Eheverträge an?
Eine Scheidung in England kostet den reicheren Ehepartner die Hälfte seines gesamten Vermögens
Wird ein Ehepaar vor einem englischen Familiengericht geschieden, wendet das englische Scheidungsgericht immer englisches Recht an. Rechtswahlklauseln akzeptiert das englische Scheidungsgericht nicht. Nach englischem Scheidungsrecht gilt als Grundprinzip der Vermögensverteilung zwischen den Ehegatten der "equal split", also die hälftige Aufteilung allen Vermögens. Im Unterschied zu Deutschland erfasst diese 50/50-Teilung auch Vermögen, das man bereits in die Ehe eingebracht hat sowie Vermögen, das man von Eltern, Großeltern, Geschwistern etc. geerbt oder geschenkt bekommen hat. Platt formuliert: Der reichere Ehegatte verliert durch die Scheidung die Hälfte des gesamten (!) Vermögens.
Details dazu hier:
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Schutz des Vermögens durch einen englischen Ehevertrag (pre-nuptial agreement)?
Wer sich gegen eine solche hälftige Teilung des Vermögens per Urteil des englischen Scheidungsrichters schützen will, kann und muss einen "Ehevertrag" nach den strengen Vorgaben des englischen Rechts erstellen. Ehevertrag setze ich in Anführungszeichen, weil ein englisches pre-nup agreement eben gerade kein streng verbindlicher Vertrag ist, sondern lediglich eine Abrede der Eheleute, was diese bei Abschluss des pre-nup als fair erachten. Das englische Scheidungsgericht kann davon abweichen, wenn es den Inhalt des pre-nuptial für unfair oder unreasonble hält.
Zudem ist ein solches englisches pre-nuptial mit erheblichem Aufwand verbunden. Die Parteien müssen ihre Finanzen detailliert offenlegen, jeder Partner braucht einen eigenen englischen Familienrechtsanwalt (family law solicitor) und das pre-nup muss etliche Wochen, besser einige Monate vor dem Hochzeitstermin abgeschlossen werden. Und der Spaß ist teuer: Unter 5.000 Pfund kommt man auch in relativ einfach gelagerten Fällen nicht weg. Bei High Net Worth Paaren und/oder Prominenten kann ein englisches pre-nuptial agreement auch 20.000 bis 30.000 Pfund kosten.
Ausführlich zum Thema englischer Ehevertrag inklusive Musterbeispiel:
- Ehevertrag für deutsch-englische Paare unverzichtbar
- Musterbeispiel englischer Ehevertrag (Pre-Nup)
- Vorteile und Risiken eines englischen Pre-Nuptial Agreement (ausführlicher Client Care Letter)
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Gilt ein deutscher notarieller Ehevertrag in England?
Viele Mandanten fragen mich, ob sie denn nicht einen (weniger aufwendigen und meist auch billigeren) deutschen Ehevertrag bei einem deutschen Notar abschließen können, um für den Fall einer Scheidung in England den "equal split" zu vermeiden. Also entweder Gütertrennung oder einen (modizifierten) Zugewinnausgleich vereinbaren. Manche sagen auch: "Da gibt es doch das Radmacher Urteil des UK Supreme Court, das einen deutschen Ehevertrag anerkannt hat".
Nun, das ist teilweise richtig. Aber - wie so oft in der Juristerei - hängt es von den konkreten Details des Falles ab.
Wie oben ausgeführt, wendet das englische Gericht bei einer Scheidung prinzipiell nur englisches Familienrecht an. Und nach englischem Recht gilt ein pre-nup nur, wenn die strengen Anforderungen eingehalten sind, was bei einem deutschen notariellen Ehevertrag in der Regel nicht er Fall ist. Dort findet nämlich in aller Regel kein "financial disclosure" statt, es wird also kein Vermögens-Inventar als Anlage zum Ehevertrag genommen. Zudem erhalten die Ehepartner in der Regel auch keine separate Beratung durch einen eigenen Anwalt. Der Notar berät beide Partner, was nach englischem Recht undenkbar ist.
Aber! Und das war die Sensation im Berufungsurteil Radmacher v Granatino des UK Supreme Court vom 20 Oktober 2010:
Wenn beide Ehepartner aus einem Land stammen, dessen Rechtstradition streng verbindliche Eheverträge kennt, dann kann und soll das englische Scheidungsgericht auch einen solchen ausländischen Ehevertrag anerkennen. Im Fall Radmacher v Granatino war die Ehefrau Deutsche und der Ehemann Franzose. Deutschland und Frankreich beruhen diesbezüglich auf derselben Rechtstradition (Code Napoleon) und erkennen notarielle Eheverträge als verbindlich an. Das war der Hintergrund der Radmacher-Entscheidung.
Aber Vorsicht!
Diese Radmacher-Entscheidung des UKSC kann man daher nicht auf Konstellationen übertragen, bei denen ein Ehepartner Brite ist! Bei deutsch-englischen Paaren wird ein englisches Scheidungsgericht trotz Radmacher im Ernstfall auf Einhaltung der strengen Formerfordernisse eines pre-nuptial agreements bestehen.
Ob für die in England lebenden Ehegatten ein deutscher notarieller Ehevertrag eine Option ist, muss man daher im konkreten Einzelfall sehr sorgfältig prüfen.
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Rechtsanwalt Schmeilzl, Master of Laws (Leicester University), ist seit 2003 auf deutsch-britisches Recht spezialisiert, Schwerpunkte Erbrecht, Nachlassabwicklung, internationale Zivilprozesse und Familienrecht. Als Experte für deutsch-englisches Recht berät er Unternehmen, Anwaltskollegen und wohlhabende Privatpersonen. Ein besonders wichtiges Thema für internationale Ehepaare oder Paare, die ins Ausland ziehen, ist die Frage nach einem Ehevertrag sowie der internationalen Vermögens- und Nachlassplanung.
