Musterformulierung für Pflichtteilsentzug nach dem Erbrecht von England und Wales
Wer nicht will, dass die nächsten Angehörigen nach gesetzlicher Erbfolge erben, kann und muss ein Testament erstellen, in welchem er andere Personen zu seinen Erben einsetzt. Ist auf den Erbfall das deutsche Erbrecht anwendbar (was primär vom gewöhnlichen Aufenthalt, also Lebensmittelpunkt des Testamentsersteller abhängt, nicht wie bis 2015 von seiner Staatsangehörigkeit), dann haben die enterbten nahen Angeörigen allerdings einen Pflichtteilsanspruch. Details zum Pflichtteilsanspruch nach deutschem Recht in meinem Video hier:
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Kennt das englische Erbrecht überhaupt einen Pflichtteilsanspruch?
Soviel zur Situation in Deutschland.
Wie ist es aber, wenn auf den Erbfall englisches Erbrecht anwendbar ist, weil der Verstorbene:
- seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in England (oder Wales) hatte
- oder Immobilien in England besaß (auf die aus Sicht des englischen Rechts immer das Belegenheitsrecht gilt (lex rei sitae Prinzip, auch situs rules)
- oder weil er - als britischer Staatsbürger - im Testament aktiv sein "Heimaterbrecht" gewählt hat ("choice of law clause")?
Übrigens Vorsicht bei der dritten Variante: Das deutsche Recht akzeptiert eine Umgehung oder Aushöhlung des deutschen Pflichtteilsanspruchs durch eine Rechtswahl oft nicht, Details hier.
Aber nehmen wir mal an, es gilt für den Erbfall das materielle englische Erbrecht. In diesen Fällen hört oder liest man oft das vorschnelle Statement:
"Im englischen Recht gibt es keinen Pflichtteilsanspruch. Nach Common Law Regeln kann der Erblasser mit seinem Vermögen machen, was er oder sie will."
Wirklich? Nun ja, für die USA mag das weitgehend richtig sein, wobei es auch da wenigstens für den Ehepartner in vielen Bundesstaaten eine Art Pflichtteil gibt (Details hier).
Für England & Wales ist die Aussage aber jedenfalls nur halb richtig. Einen automatischen Pflichtteilsanspruch mit festen Quoten und eindeutiger Berechnungsbasis, wie ihn das deutsche, französische, spanische oder italienische Recht für Ehegatten, Abkömmlinge oder manchmal sogar die Eltern des Verstorbenen anordnen, kennt das Erbrecht von England und Wales (the succesion law of England and Wales) zwar in der Tat nicht.
Aber: Es existiert in England eine gesetzliche Anspruchsgrundlage, die dem deutschen Pflichtteilsrecht in vielen Fallkonstellationen nahe kommt, der sogenannte "claim under THE INHERITANCE (PROVISION FOR FAMILY AND DEPENDANTS) ACT 1975" (www.legislation.gov.uk/ukpga/1975/63), abgekürzt meist als "Inheritance Act Claim". Dessen Tatbestandsvoraussetzungen, Ausnahmen und wie man den englischen Pflichtteil einklagt, habe ich bereits in folgenden Beiträgen erklärt:
- Kennt das englische Erbrecht einen Pflichtteilsanspruch?
- Pflichtteil durch die Hintertür: Der „Inheritance Act Claim“ in UK
- Wie verlangt man in England den Pflichtteil?
- Pflichtteilsanspruch für die heimliche Geliebte?
Der Kreis der potentiellen Anspruchsberechtigten ist beim englischen Inheritance Act Claim also sogar weiter als beim deutschen Pflichtteilsanspruch. Insbesondere der nicht-eheliche Partner hat nach englischem Erbrecht oft einen solchen gesetzlichen Geldanspruch gegen die Erben (genauer gesagt gegen den Nachlass).
Mustertext zur Absicherung gegen einen "Inheritance Act Claim".
Will ein enterbtes Kind oder ein sonstiger potentiell Anspruchsberechtigter einen solchen "Inheritance Act Claim" geltend machen, muss er oder sie unter anderem nachweisen, dass die Enterbung "unvernünftig" (unreasonable) ist. Einer solchen Argumentation kann der Testamentsersteller vorbeugen, indem er oder sie eine Formulierung in das englische Testament aufnimmt oder dem Testament als Anhang beifügt, die die vollständige Enterbung gut begründet und die Motivation sowie die Historie darlegt. Denn ohne Grund wird man seine KInder selten komplett enterben.
Ein typisches Musterbeispiel einer solchen "Erklärung zur Enterbung" (DECLARATION UNDER THE INHERITANCE (PROVISION FOR FAMILY AND DEPENDANTS) ACT 1975) habe ich hier als PDF zum Download eingestellt.
Weitere Beiträge zum Erbrecht in England und zur Nachlassplanung bei Vermögen in mehreren Ländern
- Erbschaft in England: Checkliste für Erbscheinsverfahren und Nachlassabwicklung in England
- Gesetzliche Erbfolge in England: Ehegatte wird meist Alleinerbe, sogar neben Kindern
- Verwandter in England gestorben: Wie erfährt man, was im Testament steht?
- Was ist eine “Deed of Variation” im englischen Erbrecht?
- Erbrecht und Pflichtteil in Schottland
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