09.04.2025 |

Gesamthandseigentum versus Bruchteilseigentum im britischen Grundstücksrecht

Arten von Miteigentum an Immobilien (Haus, Wohnung, Cottage, Apartment) in England UK. Unterschied Joint tenancy und Tenancy in Common

Die Arten von Miteigentum an Immobilien in Großbritannien: Was passiert, wenn einer von mehreren Miteigentümern einer englischen Immobilie stirbt?

In England gilt, anders als in Deutschland, das Prinzip der automatischen Anwachsung (right of survivorship) als Regelfall bei Immobilien-Miteigentum 

Für deutsche Juristen und Immobilienbesitzer ist es selbstverständlich, dass ein Miteigentumsanteil an einer Immobilie (also an einem Haus, einer Eigentumswohnung oder einem Grundstück) beim Tod des Miteigentümers in die Erbmasse fällt und vererbt wird, dieser Miteigentumsanteil also an die Erben des verstorbenen Miteigentümers übergeht.

Stirbt ein Miteigentümer (etwa der Ehemann, wenn die Eheleute als Miteigentümer ihres Eigenheims im Grundbuch eingetragen sind), so muss man nach deutschem Recht im Regelfall prüfen, wer – entweder nach Testament oder nach gesetzlicher Erbfolge - der Erbe ist bzw. (wenn mehrere) die Miterben sind. Diese Erben beantragen dann einen Erbschein (sofern kein notarielles Testament existiert, dann ist der Erbschein entbehrlich) und werden dann als die neuen Miteigentümer im Grundbuch eingetragen, rücken also nach den Regeln des Erbrechts in die Eigentumsposition des Verstorbenen ein.

Der Regelfall ist im deutschen Sachenrecht also das Bruchteilseigentum, auch Miteigentum nach Bruchteilen genannt (siehe § 741 BGB, §§ 1008 ff BGB). Die Sache (also die Immobilie) gehört mehreren Personen gemeinsam, es existieren aber sogenannte „ideelle Bruchteile“. Ist jemand also beispielsweise zu 1/4 Miteigentümer eines Hausgrundstücks, gehört ihm ein ideeller Bruchteil von 1/4  dieses Hauses. „Ideell“ deshalb, weil er natürlich nicht einfach ein Viertel des Hausgrundstücks abmessen und behaupten kann: "Dieses konkrete Viertel des Hauses gehört mir". Sondern es gehört ihm eben ein „ideeller“ Ein-Viertel-Anteil an allem, an dem gesamten Hausgrundstück.

Der Clou dabei: Über diesen Miteigentumsanteil kann der Bruchteils-Miteigentümer prinzipiell frei verfügen, verkaufen oder mit einer Grundschuld belasten, ohne vorher die übrigen Miteigentümer um Erlaubnis fragen zu müssen (sofern die Miteigentümer beim Notar nichts anderes vereinbart haben). Und: Der Bruchteils-Miteigentumsanteil wird – wie oben erklärt - beim Tod des Miteigentümers vererbt. Dieses Bruchteils-Miteigentum an Immobilien ist der gesetzliche Regelfall in Deutschland. Darum gehen Deutsche, die in England eine Immobilie kaufen, im Kopf ganz selbstverständlich von dieser Grundannahme aus. Das ist aber ein Fehler, denn im englischen Immobilienrecht ist es genau umgekehrt!

Im englischen Immobilienrecht gilt das Grundprinzip der Gesamthandseigentum an Grundstücken

Ganz anders als die oben geschilderte Situation in Deutschland ist die Rechtslage in den vom Common Law geprägten Rechtsordnungen, darunter auch England & Wales. In diesen Common Law Rechtsordnungen ist der typische Regelfall das Gesamthandseigentum, genannt Joint Tenancy (manchmal auch genannt „beneficial joint tenancy“).

Den Miteigentümern einer Immobilie gehört somit nicht ein Bruchteil, über den sie frei verfügen und den sie vererben können, sondern das Haus, die Wohnung etc. gehört den „joint tenants“ eben „zur gesamten Hand“, soll heißen, man kann nur gemeinschaftlich darüber verfügen. Die Anteile der joint tenants sind untereinander gleich, bestimmen sich also nach Köpfen, d.h. bei zwei Miteigentümern ist der Anteil je 1/2, bei drei Miteigentümern je 1/3 usw. Joint tenants können keine hiervon abweichenden Eigentumsquoten festlegen. Die Quoten nach Köpfen sind bei joint tenancy zwingend.

Sind von der Anzahl der Personen (Köpfe) abweichende Miteigentumsquoten gewünscht (wollen zwei Miteigentümer als eine Quote von z.B. 1/5 zu 4/5, weil sie in diesem Verhältnis den Kauf finanziert haben), dann müssen die Miteigentümer ausdrücklich eine „tenancy in common“ vereinbaren und im englischen Grundbuch eintragen lassen. Diese tenancy im common entspricht in etwa (nicht zu 100%) dem deutschen Regelfall der Bruchteilsgemeinschaft.

Aber nochmals: Der Ausgangs-Regelfall in England ist – genau umgekehrt zu Deutschland – das Gesamthandseigentum. Will man davon abweichen geht das, aber nur per formeller Urkunde (deed). Genau wie man in Deutschland vom Regelfall der Bruchteilsgemeinschaft per notarieller Urkunde den (für Deutschland) Ausnahmefall der Gesamthandsgemeinschaft vereinbaren kann.

Wichtigste Auswirkung der joint tenancy: Anwachsung beim Tod eines Miteigentümers

Die in der Praxis wichtigste Folge des englischen Gesamthandseigentums an einer Immobilie ist, dass beim Tod eines Miteigentümers (joint proprietor) dessen Anteil dem/den anderen Gesamthands-Miteigentümer/n „anwächst“. Der Anteil geht also automatisch auf die verbleibenden Eigentümer über, allein durch die Tatsache des Todes (transfer by right of survivorship).

In Mandantengesprächen bezeichne ich das manchmal provozierend als „Wette darauf, wer eher stirbt“. Denn der am längsten lebende joint tenant erwirbt am Ende Alleineigentum. Man muss es nur abwarten können.

Denn über einen Gesamthands-Miteigentumsanteil  nach englischem Immobilienrecht kann man gar nicht in seinem Testament verfügen, selbst wenn man wollte.  Das rechtliche Schicksal eines joint tenancy share steht bereits fest: Er geht im Todesfall auf den überlebenden joint tenant über. Unabhängig vom Erbrecht. In England nennt man das: „transfer outside of probate“. Ein häufiger Irrtum vor allem deutscher Mandanten ist, dass „outside of probate“ auch bedeutet „outside of inheritance tax“. Das ist natürlich nicht der Fall: Auch eine joint tenancy Immobilie, die automatisch per right of survivorship übergeht, ist Grundlage für die Berechnung der britischen Erbschaftsteuer (inheritance tax) und muss im UK Erbschaftsteuerformular (IHT 400) angegeben werden. Die Tatsache, dass man hierfür keinen englischen Erbschein braucht bedeutet also nicht, dass man es dem englischen Erbschaftssteuerfinanzamt verschweigen darf.

Wie geht also eine joint tenancy Immobilie in der Praxis über?

Im obigen Beispiel der Ehegatten mit gemeinsamen Familienhaus: Der länger lebende Ehepartner (und joint tenancy Miteigentümer) wird in der Sekunde des Todes seines Partners Alleineigentümer, unabhängig davon, ob der Verstorbene ein Testament erstellt hat und was in diesem Testament steht. Der Überlebende braucht für die Umschreibung des englischen Grundbuchs somit nicht das langwierige und aufwendige Erbscheinsverfahren (Probate) durchlaufen, sondern kann das englische Grundbuch (Land Registry) sofort aktualisieren lassen, allein durch Vorlage der Sterbeurkunde und Einreichung eines DJP-Formulars (DJP steht für „Deceased Joint Proprietor“, verstorbener Gesamthands-Miteigentümer). Weitere Informationen zur Aktualisierung des englischen Grundbuchs in diesem Leitfaden (Guide).

Das englische Recht kennt auch Bruchteils-Miteigentum an Immobilien

Wie oben bereits erwähnt, besteht auch in England die Möglichkeit, das Miteigentum rechtlich anders zu gestalten, nämlich als Bruchteilsgemeinschaft, Tenants in Common“. Bei geschäftlichen Immobilien-Investments ist das der Regelfall, weil die Investoren hier oft unterschiedliche Finanzierungsbeiträge leisten und natürlich auch nicht das zufällige Ergebnis des „right of survivorship“ wollen, die „Wette darauf, wer früher stirbt“. Bei Eheleuten und innerhalb Familien bleibt es dagegen meist beim Regelfall der joint tenancy (außer, wenn eine Scheidung ansteht, dann wollen auch die Eheleute nicht mehr das Zufallsergebnis des früheren Todesfalls).

Die Gesamthands-Miteigentümer können die Art des Miteigentums an der englischen Immobilie auch wechseln. Häufig geschieht das zum Beispiel im Vorfeld einer Scheidung von Joint Tenants zu Tenants in Common, denn wenn die Eheleute sich entschieden haben, geschieden zu werden, dann will jeder Partner vermeiden, dass bei seinem Tod der Eigentumsanteil an den (bald geschiedenen) Ehegatten geht. Vielmehr soll der Eigentumsanteil dann an die Erben gehen, etwa die Kinder.

Fazit: Wer also in England mit anderen Personen zusammen eine Immobilie kauft, sei es ein Cottage am Land, ein Ferienhaus oder ein Time Sharing Apartment erwirbt, sollte darauf achten, wie das Miteigentum ausgestaltet und dem Land Registry gegenüber angegeben wird. Andernfalls geht der Miteigentümer der englischen Immobilie vielleicht irrig davon aus, dass sein Anteil im Todesfall seiner Familie vererbt wird, während in Wahrheit der Eigentumsanteil automatisch dem anderen Miteigentümer anwächst.

Weitere Informationen zum Immobilienrecht und Wohnungskauf in England

Kategorie: ErbrechtFamilienrechtImmobilienrechtNachlassplanungFamily Office

Autor
Bernhard Schmeilzl

Bernhard Schmeilzl

Rechtsanwalt & Master of Laws

+49 (0) 941 463 7070 schmeilzl@grafpartner.com

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