10.10.2024 |

Was sind Barrister Chambers? Anwaltskanzlei oder Bürogemeinschaft?

Englische Prozessanwälte organisieren sich in "Chambers"

Barristers sind ganz überwiegend als Einzel-Freiberufler tätig (self-employed sole practitioners), die sich allerdings in sog. „Chambers“ organisieren. Wer als frisch zugelassener (newly qualified) Barrister in England, insbesondere in London, nicht ganz alleine auf dem hart umkämpften Markt für Prozessanwälte auftreten und seine Infrastruktur von Null aufbauen will, ist darauf angewiesen, dass eine etablierte Chamber ihr bzw. ihm eine sog. „Tenancy“ als "Junior Barrister" anbietet, faktisch ein Untermietvertrag mit dem „Head of Chambers“, der die Räume wiederum von einem Inn of Court gemietet hat, dem die Gebäude im historischen Londoner Legal District gehören.

Chambers sind keine Anwaltsgesellschaften, sondern reine Bürogemeinschaften

Bei diesen Chambers handelt es sich in der Regel um bloße Bürogemeinschaften und gerade nicht um echte gesellschaftsrechtliche Zusammenschlüsse, wie dies bei deutschen Anwaltskanzleien (GbR, PartG, GmbH) sowie bei englischen Kanzleien von Solicitors (Partnership, LLP, Ltd. etc.) meist der Fall ist. Chambers teilen sich die Büromiete und manchmal auch Personalkosten. Meist organisieren sie auch gemeinsame Marketing-Aktivitäten, weshalb nach außen dann doch der (unzutreffende) Eindruck entsteht, dass es sich um eine Kanzlei handelt. Das Mandatsverhältnis besteht aber gerade nicht mit der Chamber insgesamt, sondern mit einem konkreten Barrister, in größeren Fällen auch mit zwei Barristers, dann meist ein erfahrener King's Counsel plus Junior Barrister.

Im Innenverhältnis haben Chambers oft sehr komplizierte interne Vereinbarungen, wie (also wem) eingehende Fälle zugewiesen werden und wie der generierte Umsatz und die Kosten zu verteilen sind.

Andere - engere - Zusammenschlüsse als solche bloßen Bürogemeinschaften von Barristers sind zwar zulässig, seit 2009 auch interdisziplinär in Form einer "Alternative Business Structure" (ABS), früher als "Legal Disciplinary Practice" (LDP) bezeichnet, werden in der englischen Anwaltspraxis allerdings kaum genutzt. Auch zulässig, aber ebenfalls selten, sind Anstellungsverhältnisse (employed barristers). Details zur Tätigkeit von Barristers innerhalb einer Kanzlei von Solicitors: www.barcouncilethics.co.uk/wp-content/uploads/2017/10/Solicitors-firms-barristers-as-partners-2.pdf

Prozessanwälte aus der selben Chamber können gegnerischen Parteien vertreten 

Da Chambers also keine Kanzleien, sondern reine Bürogemeinschaften sind, können zwei als sole practitioner agierende Barristers, auch wenn sie derselben Chamber angehören und etwa auf der identischen Website als Chambers-Mitglieder promotet werden, auf unterschiedlichen Seiten desselben Rechtsstreits tätig werden, ohne dass dies einen Interessenkonflikt auslöst. In der Praxis versuchen Chambers natürlich trotzdem, so etwas zu vermeiden, da es gegenüber den Mandanten keinen guten Eindruck macht, wenn „dieselbe Kanzlei“ auf beiden Seiten des Rechtsstreits agiert.

Weitere Informationen zum anwaltlichen Berufsrecht in England

Dieser Beitrag ist ein gekürzter Auszug aus dem Kapitel "Anwaltsberufsrecht in England und Wales" im Praxishandbuch "Der Zivilprozess in England"

Beitragsfoto lizensiert von Alamy.com

Kategorie: ProzessrechtZivilprozesseStrafrechtAnwaltsrecht

Autor
Bernhard Schmeilzl

Bernhard Schmeilzl

Rechtsanwalt & Master of Laws

+49 (0) 941 463 7070 schmeilzl@grafpartner.com

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