07.05.2025 |

Bestellung eines Betreuers durch das englische Vormundschaftsgericht

Wann braucht man einen Gerichtsbeschluss des englischen "Court of Protection"

Lebt jemand in England und wird - etwa wegen Demenz - geschäftsunfähig, dann werden die Angehörigen, Nachbarn oder das Pflegeheimpersonal früher oder später beim englischen Vormundschaftsgericht (Court of Protection) die Bestellung eines Betreuers (Deputy) beantragen oder wenigstens anregen. Es sei denn, der Betroffene hat rechtzeitig (also in gesunden Tagen) eine Vorsorgevollmacht nach englischem Recht erteilt, eine sogenannte "Lasting Power of Attorney" (LPA). Existiert eine solche offizielle LPA, ist in aller Regel keine Betreung nötig. Die formellen Anforderungen an eine UK-Vorsorgevollmacht sind aber viel höher als an eine deutsche Vorsorgevollmacht.

Englischer Betreuer für in Deutschland lebende Personen nötig?

Aber auch wenn jemand in Deutschland wohnt, aber Geldanlagen in UK besitzt, kann es nötig werden, einen Betreuungsantrag beim englischen Court of Protection zu stellen. Wird etwa der Ehegatte, der Vater oder die Mutter dement, die ein Bankkonto oder ein Aktiendepot in UK unterhalten (etwa weil sie dort einmal gearbeitet haben oder weil es eine lukrative Geldanlage ist), dann sind bei Eintritt der Geschäftsunfähigkeit diese englischen Konten und Depots faktisch für etliche Monate oder gar Jahre gesperrt.

Denn Finanzdienstleister in UK akzeptieren keine deutschen Vorsorgevollmachten, nicht einmal notarielle Generalvollmachten. Noch schlimmer: Sogar ein Betreuungsbeschluss eines deutschen Gerichts wird auf der Insel ignoriert. Die britischen Banken erkennen einen deutschen Betreuerausweis nicht an, sondern verlangen bei Geschäftsunfähigkeit des Kontoinhabers aus Angst vor Haftung (bei Auszahlung an einen Nicht-Berechtigten) entweder eine in England offiziell registrierte Lasting Power of Attorney (LPA) oder - wenn eine solche LPA nicht existiert - den Beschluss des englischen (!) Betreuungsgerichts (Court of Protection).

Das dauert viele Monate und kostet Tausende von Pfund (persönliche Anwesenheit vor dem englischen Gericht, beglaubigte Übersetzung deutscher Gerichtsbeschlüsse und psychatrischer Gutachten usw.).

Ich hatte schon einigermaßen dramatische Fälle, etwa den eines gut 80jährigen Frankfurters, dessen gesamte (hoch sechsstelligen) Ersparnisse in UK angelegt waren, weil er früher in London gearbeitet hatte. Der ehemalige Banker musste dann wegen Demenz ins Pflegeheim. Dessen Angehörige kamen nun aber für 14 Monate nicht an die Geldanlagen in UK. Trotz knapper Million Guthaben auf einem britischen Konto mussten die Angehörigen die hohen Pflegeheimkosten über mehr als ein Jahr vorstrecken bzw. zwischenfinanzieren. Als Betreuer (Deputy) wurde in England vom Gericht schließlich ein Londoner Solicitor bestellt, der dann auch nochmal gute 6.000 Pfund für seine Tätigkeit berechnete. Den in Deutschland lebenden Bruder des Betroffenen wollte das englische Gericht nicht zum Deputy bestellen.

Wie sieht ein Betreuungsbeschluss eines englischen Vormundschaftsgerichts aus?

Hier ein Beispiel einer Betreuungsanordnung (Court Order) durch das englische Vormundschaftsgerichts:

Praxistipp für in Deutschland lebende Personen mit Investments in UK

Ein Tipp für in Deutschland lebende Inhaber von Geldanlagen in Großbritannien: Entweder die UK-Investments rechtzeitig (in gesunden Tagen) auflösen und Guthaben nach Deutschland transferieren. Oder die UK-Investments zu Lebzeiten auf die (künftigen) Erben überschreiben, ggf. auch per "Living Trust" nach englischem Recht (mehr dazu in der Linkliste unten).

Oder einer Vertrauensperson eine englische LPA (Vorsorgevollmacht) erteilen. Wie das geht, wo man die offiziellen Formulare als PDF downloaden kann und warum das Prozedere ziemlich aufwendig ist (zwei Zeugen plus Beglaubigungsperson plus offizielle Registrierung) wird auf der offiziellen GOV.UK Website hier erklärt. Mehr dazu auch in den unten verlinkten weiteren Beiträgen.

Gilt ein englischer Gerichtsbeschluss in Deutschland?

Übrigens stellt sich spiegelbildlich auch das umgekehrte Problem, wenn jemand in England lebt, dement wird und Geldanlagen in Deutschland besitzt. Hat dieser Kontoinhaber nicht rechtzeitig vorgesorgt, etwa eine deutsche Bankvollmacht oder eine notarielle Generalvollmacht erteilt, müssen die Angehörigen ebenfalls die Betreuungsgericht in beiden Ländern einschalten. Zur Anerkennung eines englischen Betreuungsbeschlusses durch deutsche Gericht ausführlich in diesem Beitrag hier:

Mehr zu Vermögens- und Nachlassplanung in UK sowie zu Betreuung und Vorsorgevollmacht in England hier:

Kategorie: ErbrechtFamilienrechtNachlassplanungBankrechtBetreuungsrechtFamily OfficeEnglischer Trust

Autor
Bernhard Schmeilzl

Bernhard Schmeilzl

Rechtsanwalt & Master of Laws

+49 (0) 941 463 7070 schmeilzl@grafpartner.com

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