19.12.2024 |

Wie überträgt man Immobilien in England steuerfrei auf Kinder oder Enkel?

Nachlassplanung und optimierte Erbschaftsteuer bei Immobilienvermögen in UK

Besitzt jemand Immobilien oder sonstige Kapitalanlagen in Großbritannien, dann unterfällt das gesamte dortige Vermögen (the UK estate) beim Tod des Eigentümers immer der britischen Erbschaftsteuer (UK Inheritance Tax), egal ob der Erblasser einen (Haupt-)Wohnsitz in UK hatte oder außerhalb. Im Unterschied zu Deutschland (siehe § 121 Bewertungsgesetz) unterscheidet das britische Steuerrecht nicht zwischen verschiedenen Arten von Vermögen, sondern das englische Finanzamt (HMRC) besteuert alle in UK befindlichen Assets, also nicht nur Immobilien und Unternehmensbeteiligungen, sondern auch reine Bankkonten, Aktiendepots usw.

Komplett steuerfrei vererben kann man im Vereinigten Königreich nur an den Ehegatten (unlimited spouse exemption) und an gemeinnützige UK Charities. Für Betriebsvermögen bestehen Steuerbegünstigungen, die durch die Labour Regierung ab 2024/2025 aber restriktiver geregelt sind als bisher.

Will man das britische Vermögen nun - wie früher oder später die meisten Mandanten - an seine Kinder, Enkel oder sonstige Verwandte (z.B. Neffen, Nichten) vererben, dann steht als Steuerfreibetrag nur die magere "nil-rate band" von derzeit 325.000 Pfund zur Verfügung. Und zwar, das ist das Problem in UK, nur ein einziges Mal für das gesamte Nachlassvermögen, nicht etwa (wie die Freibeträge in Deutschland) pro Empfänger. Es bringt in England also steuerlich keinen Vorteil, die Erbmasse auf mehrere Erben oder Vermächtnisnehmer aufzusplitten. Auch bei einer solchen Verteilung des Vermögens auf mehrere Empfänger steht für alle zusammen nur ein einziges Mal der Freibetrag von 325.000 Pfund zur Verfügung (plus eventuell der Wohnheimfreibetrag, "residence nil-rate band", von weiteren 175.000 Pfund).

Bei einer Immobilie in London, deren Wert schnell über einer Million liegt, oder gar bei mehreren Immobilien in England, kommt man mit diesem einmaligen Erbschaftsteuerfreibetrag nicht allzu weit. Und alles darüber wird gnadenlos mit satten 40 Prozent Erbschaftsteuer belegt, auch wenn die Erben Kinder oder Enkel sind. Es gibt in UK keine verschiedenen Steuerklassen nach Verwandtschaftsgrad.

Gibt es eine Möglichkeit, Häuser oder Wohnungen in England steuerfrei zu übertragen?

Ja, die gibt es. Nämlich die britischen Immobilien zu Lebzeiten zu verschenken und dann noch mindestens sieben Jahre zu leben. In dieser Konstellation fallen in UK keine Erbschafts- oder Schenkungssteuern an. Eine Schenkungsteuer im engeren Sinn gibt es in UK nämlich nicht. Nur wenn der Schenker innerhalb von sieben Jahren ab der Schenkung verstirbt, tut das britische Finanzamt so, als wäre der verschenkte Gegenstand noch im Nachlass vorhanden, erhebt also Erbschaftsteuer auf den verschenkten Gegenstand. Wobei aber wenigstens die Bemessungsgrundlage abgeschmolzen wird, je länger die Schenkung zurück liegt (genannt "taper relief"). Details dazu hier: www.cross-channel-lawyers.de/steuern-auf-lebzeitige-schenkungen-in-england/

Lebzeitige Übertragung mit Vorbehalt eines Nießbrauchs oder lebenslangen Wohnrechts?

Nun hat eine frühe lebzeitige Schenkung natürlich aus Sicht des Schenkers den Nachteil, dass der Vermögensgegenstand nun weg ist. Verhält sich der Beschenkte undankbar oder verschleudert er die übertragene Immobilie, kann der Schenker sich nur ärgern. Dagegen tun kann er oder sie nichts mehr.

Als deutscher Erbrechtsanwalt und Nachlassplaner denkt man in dieser Konstellation natürlich sofort an die klassische Gestaltung der vorweggenommenen Erbfolge per Übertragung der Immobilie, aber unter Rückbehalt eines Nießbrauchsrechts oder wenigstens eines lebenslangen Wohnrechts für den Schenker. In Deutschland ist das die am häufigsten genutzte Methode der Nachlassplanung.

Nur: In Großbritannien macht das so gut wie niemand, weil es keinen Steuervorteil mit sich bringt. Jede Art von Zurückbehalt eines Nießbrauchs, Nutzungs- oder Wohnrechts ist in UK steuerschädlich. Der Vorbehalt zugunsten des Schenkers führt nämlich dazu, dass das britische Finanzamt die Schenkung als steuerlich nicht vollzogen ansieht. Soll heißen, der Beschenkte steht zwar als Eigentümer im englischen Grundbuch (land register), wenn aber der Schenker dann (Jahre oder sogar Jahrzehnte) später verstirbt, erhebt HMRC trotzdem Erbschaftsteuer auf den verschenkten Vermögensgegenstand, so als ob sich die Immobilie immer noch im "Estate of the Deceased" befindet, auch wenn die Schenkung schon viele Jahre zurück liegt. Es greift hier auch keine Abschmelzung ("taper relief").

Der technische Fachbegriff des britischen Steuerrechts für diese Konstellation lautet: Gift with Reservation of Benefit (GWR), also Schenkung mit Nutzungsvorbehalt. Details hierzu in diesem Beitrag: www.englischesrecht.de/blog/vorweggenommene-erbfolge-mit-niessbrauch-funktioniert-in-england-nicht

Schenkweise Übertragung der Immobilie und weitere Nutzung per Mietvertrag

Soll die Schenkung des Hauses oder der Wohnung in UK also erbschaftsteuerfrei bleiben, muss man "without any strings attached" übertragen, also ohne Rückbehalt irgendwelcher Nutzungsrechte. Will der Schenker trotzdem in der Immobilie wohnen bleiben, die er zu Lebzeiten überträgt, bleibt nur ein Weg: Er oder sie muss ab der Schenkung eine marktübliche Miete an den neuen Eigentümer (z.B. sein eigenes Kind) zahlen. Nur wenn ein solcher Mietvertrag (tenancy agreement) mit realistischen Konditionen (market rent) besteht und die Miete auch tatsächlich gezahlt wird, akzeptiert das britische Finanzamt, dass die Übertragung eine echte Schenkung war, also kein "gift with reservation of benefit".

Diese Gestaltung kommt einem natürlich seltsam vor. Derjenige, der gerade sein Haus verschenkt hat, soll nun auch noch an den Beschenkten Miete zahlen! In Gesamtschau kann sich das Modell angesichts der immens hohen englischen Erbschaftsteuer von 40% steuerlich trotzdem rechnen.

Übrigens sollte man bei einer solchen Gestaltung auch den Wert des Hauses durch ein offizielles RICS Immobiliengutachten (Details dazu hier) dokumentieren, um die Basis für eine spätere Berechnung der Capital Gains Tax festgezurrt zu haben.

Mehr zu Nachlassplanung, Testamentserstellung und Steuergestaltung mit Bezug zu England:

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Rechtsanwalt Schmeilzl ist seit 2001 auf deutsch-englisches Erbrecht spezialisiert. Der Experte für grenzüberschreitende Erbfälle wickelt internationale Nachlässe ab und berät deutsch-britische Familien bei der optimalen Testamentsgestaltung und Steuerplanung.

Kategorie: ErbrechtFamilienrechtImmobilienrechtNachlassplanungFamily OfficeSteuernSteuerrechtEnglischer Trust

Autor
Bernhard Schmeilzl

Bernhard Schmeilzl

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