08.05.2025 |

Forderungskauf und Abtretung nach englischem Recht

Wann ist eine Forderungsabtretung in England möglich und wirksam?

Zum Vergleich: Das Forderungs-Abtretungsrecht in Deutschland

Abtretung (Zession) einer Forderung bedeutet: A hat eine Forderung gegen B, sagen wir aus einem Liefervertrag. Nun will A nicht warten, bis B zahlt, sondern A will sein Geld sofort haben. Oder A hat keine Lust auf den Verwaltungsaufwand der Forderungsbeitreibung. Oder A hat Sorge, ob B tatsächlich in voller Höhe zahlen kann. In all diesen Fällen kann A versuchen, seine Forderung gegen B an einen Dritten (D) zu verkaufen und an diesen Dritten abzutreten. Die Forderung wird also vom bisherigen Gläubiger A an den neuen Gläubiger D übertragen. Der Schuldner (B) bleibt gleich.

Im deutschen Zivilrecht erlaubt dies § 398 BGB sehr unspektakulär mit folgendem Wortlaut:

"Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers."

Die Abtretbarkeit ist nach deutschem Recht also der gesetzliche Regelfall und es bestehen keine strengen formalen Anforderungen. So ist eine Abtretung sogar mündlich wirksam, was aber natürlich aus Beweisgründen nicht empfehlenswert ist. Auch muss der Schuldner von der Abtretung nicht zwingend benachrichtigt werden. Auch eine "heimliche Forderungsabtretung" ist in Deutschland rechtlich wirksam. In der Praxis will der neue Gläubiger aber in aller Regel, dass der Schuldner von der Abtretung erfährt, denn der Schuldner soll ja nun an den Neugläubiger zahlen, nicht mehr an den Altgläubiger.

Für manche Arten von Forderungen gilt diese prinzipielle Abtretungsfreiheit allerdings nicht oder nur eingeschränkt, so zum Beispiel für Arbeitseinkommen, Sozialleistungen, Arzthonorare u.a.

Außerdem kann eine Abtretung unwirksam sein, wenn A und B in ihrem Vertrag ausdrücklich vereinbart haben, dass die Forderung des A gegen B gerade nicht abtretbar sein soll (vertragliches Abtretungsverbot, § 399 Alt. 2 BGB). Grund für eine solche Abtretungsverbots-Klausel kann sein, dass B eben gerade nicht will, dass A seine Forderung an jemand anderen abtritt, weil B ausschließlich mit dem (gutmütigen) A zu tun haben will, nicht mit einem vielleicht viel aggressiver vorgehenden Neugläubiger D.

Unter Kaufleuten sind solche vertraglichen Abtretungsverbote allerdings nicht so einfach möglich, siehe § 354a HGB. Im geschäftlichen Verkehr soll die Forderungsabtretung (Zession) prinzipiell möglich sein. Einschränkungen der Abtretbarkeit müssen bei Kaufleuten also einen guten Grund haben. Ein gewerblicher Gläubiger soll sich nämlich durch den Verkauf seiner Forderungen leicht Liquidität verschaffen können (Stichwort: Factoring). Der (gewerblich agierende) Schuldner ist hier weniger schutzwürdig. Anders formuliert: Dem gewerblichen Schuldner kann (und muss) es egal sein, an wen er letztlich zahlt.

Soweit also zur vergleichsweise einfachen und abtretungsfreundlichen Rechtslage in Deutschland.

Das "assignment of debts" nach dem Zivilrecht von England und Wales

Auch das englische Recht erlaubt die Abtretung von Forderungen. Allerdings gelten dort strengere formelle Anforderungen als in Deutschland.

Zunächst zur verwirrenden Terminologie: In der deutschen Sprache heißt es "Forderungsabtretung". Man betrachtet den juristischen Vorgang also aus Sicht des Gläubigers (A), der eine Forderung gegen den Schuldner (B) hat. Anders im englischen Recht. Dort spricht man in diesem Kontext von "assignment of debt", also "Abtretung einer Schuld / Verbindlichkeit".

Wer also nach Mustervorlagen (Templates) von englischen Forderungsabtretungsverträgen googelt, sollte "template deed of assignment of debt" eingeben, nicht "assignment of a claim". Letzteres führt nämlich auf die falsche Spur. Ein "assignment of claim" gibt es in England zwar auch, damit ist aber keine Forderungsabtretung gemeint, sondern die Abtretung eines Klageanspruchs. Es geht bei "assignment of claim" also um einen laufenden oder konkret anstehenden Zivilprozess in England. Deshalb werden bei einer Google-Suche zu "assignment of claim" lauter Prozessfinanzierer angezeigt.

Weitere juristische Fachbegriffe im Kontext der Forderungsabtretung / Forderungsübertragung nach englischen Recht sind:

  • assignment = Abtretung
  • assignor = Zedent / der Abtretende / der Altgläubiger
  • assignee = Zessionar / Abtretungsempfänger / der Neugläubiger
  • debtor = Schuldner der abgetretenen Forderung (manchmal auch Drittschuldner genannt)
  • notice = Abtretungsanzeige / Mitteilung der erfolgten Abtretung an den Schuldner
  • charge = Pfandrecht, Sicherungsrecht
  • things in action = Rechte / unkörperliche Gegenstände

Anforderungen an eine Forderungsabtretung in England

Anders als in Deutschland muss die Abtretung einer Forderung nach englischem Recht durch eine förmliche schriftlich Vereinbarung erfolgen, nämlich per "Deed of Assignment of Debt". Technisch wird durch dieses "transfer document" das Recht übertragen, eine Forderung einzuziehen(the right to recover a debt), notfalls gerichtlich einzuklagen. Eine weitere Voraussetzung, dass der Neugläubiger die übertragene Forderung geltend machen kann, ist die formelle Benachrichtigung (notification) des Schuldners. Diese Benachrichtigung über die erfolgte Abtretung (Notice of Assignment of Debt) soll dem Schuldner innerhalb von sieben Tagen ab Unterzeichnung der Deed zugestellt werden.

Die Zustimmung des Schuldners zur Abtretung ist dagegen in England ebenso wenig erforderlich wie in Deutschland (es sei denn, das ist im vertrag zwischen A und B so vereinbart).

Details zur Abtretung von "things in action", also Immaterialgütern wie Forderungen, regelt der Law of Property Act 1925 (LPA 1925) in Section 136 wie folgt:

Legal assignments of things in action

(1) Any absolute assignment by writing under the hand of the assignor (not purporting to be by way of charge only) of any debt or other legal thing in action, of which express notice in writing has been given to the debtor, trustee or other person from whom the assignor would have been entitled to claim such debt or thing in action, is effectual in law (subject to equities having priority over the right of the assignee) to pass and transfer from the date of such notice
(a) the legal right to such debt or thing in action;
(b) all legal and other remedies for the same; and
(c) the power to give a good discharge for the same without the concurrence of the assignor:

Provided that, if the debtor, trustee or other person liable in respect of such debt or thing in action has notice
(a) that the assignment is disputed by the assignor or any person claiming under him; or
(b) of any other opposing or conflicting claims to such debt or thing in action;he may, if he thinks fit, either call upon the persons making claim thereto to interplead concerning the same, or pay the debt or other thing in action into court under the provisions of the Trustee Act, 1925.

Zugegeben etwas spröde zu lesen, dieser altmodische Gesetzestext. Im Ergebnis bedeutet der Paragraf: Die Abtretung muss (i) schriftlich vereinbart und (ii) "absolute" (also ohne Bedingung oder Vorbehalt) sein, sowie (iii) dem Schuldner mitgeteilt worden sein.

Sind diese formellen Voraussetzungen nicht eingehalten, kann eine (etwa mündliche) Forderungsabtretung aber unter Umständen immer noch "equitable effect" haben, also unter den alten Prinzipien der "equity" (Billigkeit) rechtlich wirksam sein. Das englische "equity law" ist ein Thema für sich. Es hat sich entwickelt, um Härten des common law auszugleich und erfüllt (auch wenn der Vergleich hinkt) in etwa die Funktion wie § 242 BGB (Treu und Glauben).

Weitere Voraussetzungen einer wirksamen Abtretung. Abtretungsverbote.

In beiden Ländern ist es natürlich wichtig, die Forderung, die abgetreten werden soll, ganz präzise zu definieren. Hier wird in der Praxis erstaunlich oft geschludert. Ist nur die Hauptforderung aus einem Vertrag abgetreten oder auch Nebenforderungen? Mit aufgelaufenen oder/und künftigen Zinsen oder ohne? Usw. Bei Unklarheiten kann die Abtretung unwirksam sein.

Auch in England gelten in manchen Rechtsgebieten (Arbeitsrecht, Sozialversicherungsrecht u.a.m.) spezielle Vorschriften zur Abtretbarkeit bzw. Unabtretbarkeit bestimmter Arten von Ansprüchen und Forderungen.

Und natürlich können Vertragsparteien auch in England vereinbaren, dass eine vertragliche Forderung unabtretbar sein soll (restrictions on assignment; prohibition of assignment in the contract). In etlichen Branchen sind solche Abtretungsbeschränkungen üblich etwa in Bauverträgen (building contracts).

Beispiel einer komplexen Forderungsabtretungsvereinbarung nach englischem Recht

Wer sich einen Eindruck verschaffen will, wie eine professionell formulierte Forderungsabtretung in der Praxis aussieht, findet hier als Ansichtsmaterial die offiziell veröffentlichte "Deed of Assignment between The Secretary of State for Business and Trade (as Assignor) and Barclays Bank UK PLC (as Assignee) zum Download.

Weitere Beiträge zum Vertragsrecht in England

Beitragsfoto von Freepik.com

Kategorie: WirtschaftsrechtBankrechtVertragsgestaltungVertragsmuster

Autor
Bernhard Schmeilzl

Bernhard Schmeilzl

Rechtsanwalt & Master of Laws

+49 (0) 941 463 7070 schmeilzl@grafpartner.com

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