11.05.2025 |

Frühzeitige Nachlassplanung bei Vermögen in UK, Jersey, Guernsey oder Isle of Man

Wer Vermögen in Großbritannien oder auf einer anderen britischen Insel hat, sollte rechtzeitig über dessen Übertragung nachdenken

Da ich mich seit 2003 mit der Abwicklung von deutsch-britischen Erbfällen beschäftige, gehören Mandatsanfragen wie diese zu meinen Praxisalltag:

"Unser Vater ist kürzlich verstorben und wir haben erst jetzt aus den Unterlagen herausgefunden, dass er Bankkonten und Aktiendepots in England (... oder Jersey oder Guernsey oder Isle of Man ...) hatte."

Die Familienangehörigen / Erben haben es in solchen Fällen bereits über einige Monate selbst versucht, die britischen Banken oder Depotverwalter zur Auszahlung zu bewegen. Ohne Erfolg. Es stellt sich nämlich heraus, dass dies meist erheblich aufwendiger ist als gedacht.

Hohe Kosten für die Nachlassabwicklung in UK und britischen Inseln

Der erste Nachteil, den Familien mit Vermögen auf einer der britischen Inseln oft nicht auf dem Radar haben, sind die hohen Kosten der Abwicklung einer Erbschaft in UK, einer Kanalinsel oder Isle of Man. Da ein deutscher Erbschein und auch ein EU-Nachlasszeugnis in diesen Ländern nicht anerkannt werden (britische Banken und Grundbuchämter verlangen jeweils ein nationales Nachlasszeugnis), müssen die Erben den aufwendigen und teuren Weg eines dortigen Nachlassverfahrens gehen (genannt: probate).

Auf Jersey und Guernsey sowie in Schottland und der Republik Irland braucht man hierfür zwingend einen lokal zugelassenen Anwalt (solicitor). Unter 5.000 Pfund geht da in der Regel nichts, bei höheren Vermögen erheblich mehr. Aber auch in England selbst, wo man den Erbscheinsantrag auch von Deutschland aus stellen kann, ist der Aufwand gewaltig und es dauert viele Monate, bis man endlich den englischen Erbschein im Briefkasten hat. Wer eine praktische Vorstellung von den nötigen Schritten bekommen will, kann sich unsere ausführliche Checkliste für die Nachlassabwicklung hier ansehen:

Immense UK-Erbschaftsteuern bei Vererbung an Kinder und Enkel

Liegt das Vermögen im Vereinigten Königreich, erhebt das britische Finanzamt zudem massive Erbschaftsteuer von pauschalen 40%, wenn die Erbschaft nicht an den Ehegatten geht (für diesen gelten meist, aber nicht immer Steuerprivilegien) und das Nachlassvermögen insgesamt (nicht pro Empfänger) den Grenzwert von derzeit (2025) 325.000 Pfund überschreitet. An diese britischen Erbschaftsteuern von 40% (auch bei Vererbung von Eltern an Kinder!) denken viele deutsche Familien nicht, wenn sie Immobilien oder Aktiendepots in UK erwerben.

Bei Geldanlagen auf Inseln wie Jersey und Guernsey gibt es zwar keine lokale Erbschaftsteuer, neben den oben bereits genannten Kosten für das Erbscheinsverfahren, sind diese Vermögen aber natürlich trotzdem für die deutsche Erbschaftsteuer relevant.

Typische Maßnahmen der deutschen Nachlassplanung können in UK Steuernachteile auslösen

Wegen der Steuerfreiheit des Ehegatten nach UK Erbschaftsteuerrecht setzen die meisten Briten in ihrem Testament zunächste den überlebenden Ehepartner als alleinigen Begünstigten ein. In Deutschland ist das natürlich schlecht, weil man die Freibeträge der Kinder beim Tod des ersten Elternteils "verschenkt", also nicht optimal nutzt. Das ist die erste praktische Gestaltungsfalle für Familien mit Vermögen in UK und Deutschland.

Das nächste Problem: Lebzeitige Übertragungen mit Nießbrauchsvorbehalt sind in UK zwar möglich, haben steuerlich aber keinen Vorteil, weil der Schenkungsgegenstand aus Sicht des britischen Finanzamts steuerlich betrachtet immer noch dem Schenker zugerechnet wird, auch wenn die Schenkung Jahrzehnte her ist. Details dazu im separaten Beitrag (siehe Linkliste unten).

Hinzu kommen, vor allem seit Brexit, etliche weitere Stolperfallen, die Erblasser oft nicht kennen und deshalb in ihrem Testament ungünstige Regelungen treffen. So erkennt das britische Finanzamt (His Majesty's Revenue and Customs, HMRC) nur mehr gemeinnützige Organisationen mit Sitz in und steuerlicher Anerkennung durch UK als erbschaftsteuerprivilegiert an. Charities mit Sitz außerhalb UK, also etwa die Kinderkrebshilfe Deutschland oder die Ärzte ohne Grenzen in Deutschland müssen 40 Prozent UK Inheritance Tax zahlen. Hätte der Testamentsersteller stattdessen eine UK Charity eingesetzt, wäre diese steuerprivilegiert und es fallen keinerlei Erbschaftsteuern an. Manchmal kann man in solchen Fällen noch etwas retten, indem man das Testament nachträglich per sog. "deed of variation" abändert, was das englische Erbrecht erstaunlicherweise gestattet, mit steuerlicher Rückwirkung. Allerdings kann das dann wiederum in Deutschland ein steuerliches Debakel auslösen, weil das deutsche Finanzamt eine solche "deed of variation" als zweite Transaktion ansieht (zweiter steuerbarer Vorgang), also ggf. doppelt besteuert. Mehr dazu in diesem Beitrag:

Was also tun bei Vermögen in England?

Wer Vermögen in mehreren Rechtsordnungen besitzt und seinen Erben sowohl eine unnötig hohe Steuer als auch den Aufwand ausländischer Erbscheinsverfahren (soweit möglich) ersparen will, kann einiges tun, muss dabei aber immer die Steuerfolgen in allen Ländern durchspielen. Oft fragen solche Familien nur den Anwalt oder Steuerberater im Land ihres Hauptwohnsitzes und vergessen, dass eine Steueroptimierung in Deutschland erhebliche Nachteile in UK haben kann. Und umgekehrt.

Die Details sind komplex. Hier trotzdem ein paar Stichpunkte.

Wie reduziert man die Erbschaftsteuer in England (UK Inheritance Tax)?

Wer das Risiko der 40 Prozent UK Erbschaftsteuer komplett vermeiden will, hat im Rahmen des britischen Inheritance Tax Act nur wenige Möglichkeiten:

  • Übertragung oder Vererbung auf den Ehegatten. Das verschiebt das Problem allerdings nur in die Zukunft und kann - je nach Konstellation - Steuern in Deutschland auslösen.
  • Schenkung zu Lebzeiten und dann noch mindestens sieben Jahre leben. Denn das UK Steuerrecht kennt keine Schenkungsteuer. Das klappt, wie oben erwähnt, aber nur, wenn die Schenkung ohne Rückbehalt von Rechten erfolgt (also kein Wohnrecht, kein Nießbrauch etc.). Und: Minderjährige können nach englischem Recht nicht Eigentümer von Land oder Immobilien sein.
  • Schenkungen in Form des sog. "regular gifting", das einen zusätzlichen Freibetrag gewährt (Details siehe Beitrag unten in der Linkliste)
  • Vererbung an in UK (!) als gemeinnützig anerkannte Wohnltätigkeitsorganisationen (charities).
  • Nutzung von "business exemptions", also Steuerprivilegien für Betriebsvermögen, die seit 2024/2025 aber erheblich restriktiver gehandhabt werden als bisher.
  • Diverse Trust-Konstruktionen, die eine UK Steuer allerdings meist nicht völlig beseitigen, sondern nur reduzieren und/oder in die Zukunft verschieben.

Weitere Beiträge zur Nachlassplanung und Vermögensübertragung für Familien mit Vermögen auf den britischen Inseln

Beitragsfoto: Lizensiert von Dreamstime (Nr. 57412018)

Kategorie: ErbrechtImmobilienrechtNachlassplanungFamily OfficeSteuernSteuerrechtEnglischer TrustStiftungen (UK Charities)

Autor
Bernhard Schmeilzl

Bernhard Schmeilzl

Rechtsanwalt & Master of Laws

+49 (0) 941 463 7070 schmeilzl@grafpartner.com

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