01.01.2025 |

Gilt man in England als "first time buyer" trotz Immobilieneigentum unter Niessbrauch?

First time buyer in UK trotz Eigentum mit Niessbrauch der Eltern

Kann man bei einem Hauskauf in UK noch die reduzierte SDLT geltend machen, wenn einem die Eltern in Deutschland bereits eine Immobilie unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen haben (vorweggenommene Erbfolge)?

Wer in UK eine Immobilie kauft, muss unter anderem "Stamp Duty Land Tax" (SDLT) zahlen, die britische Version der Grunderwerbsteuer. Diese englische Grunderwerbsteuer ist erheblich (bis zu 12%) und wird zum 1.4.2025 durch Änderung der Schwellenwerte (thresholds) massiv erhöht.

Bei der konkreten Berechnung der Grunderwerbsteuer durch das englische Finanzamt (www.tax.service.gov.uk/calculate-stamp-duty-land-tax/) macht es einen erheblichen Unterschied, ob man als "first time buyer" (FTB) gilt, also jemand, der zum ersten Mal im Leben eine Wohnimmobilie (dwelling) erwirbt, oder ob man bereits Immobilieneigentum besitzt. Für "first time buyers" gelten nämlich erheblich niedrigere Steuersätze (first time buyer relief). Eine Übersicht über die englische Grunderwerbsteuer und die Steuerprivilegien hier: https://www.gov.uk/stamp-duty-land-tax

Zerstört lebzeitige Immobilien-Schenkung in Deutschland den FTB-Status in UK?

Wie ist die Situation, wenn jemand, der in UK lebt und sich dort nun eine Eigentumswohnung oder ein Haus kaufen möchte, in Deutschland aber - etwa von seinen Eltern oder Großeltern - bereits eine Immobilie übertragen bekommen hat, an der sich die Eltern bzw. Großeltern aber ein lebenslanges Nießbrauchsrecht zurückbehalten haben.

Gilt man bei einem Immobilienkauf in England dann noch als first time buyer, wenn man wegen einer solchen lebzeitigen Schenkung unter Niessbrauchsvorbehalt in Deutschland bereits als Eigentümer einer Immobilie im Grundbuch steht? Oder kommt es für den FTB-Status nicht auf das "nackte Eigentum" an, sondern auf den Nießbrauch? Denn solange die Schenker, also die Niessbrauchsberechtigten leben, hat der Beschenkte wirtschaftlich ja nichts von seiner Eigentümerposition.

Auslegung der Übertragung unter Niessbrauchsvorbehalt durch das englische Finanzamt

Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es leider nicht. In Kommentaren zum britischen Steuerrecht wird das Thema kontrovers diskutiert. Einen Anhaltspunkt, wie die britischen Finanzbehörden solche Fälle behandeln, findet man in den internen Richtlinien für Finanzbeamte zum Thema Grunderwerbsteuer in UK, dem "HMRC Internal Manual Stamp Duty Land Tax"(SDLT Manual). Diese internen Verwaltungsvorschriften für britische Finanzbeamte zur SDLT finden sich hier: www.gov.uk/hmrc-internal-manuals/stamp-duty-land-tax-manual/sdltm29800

Zum Thema "Immobilienvermögen im Ausland" (also außerhalb UK) und Niessbrauch ("usufruct") finden sich Ausführungen in dieser internen Steuerrichtlinie:

Die Richtlinie "Inheritance Tax Manual" des UK Finanzamts erläutert dort für die britischen Finanzbeamten den in Deutschland und Frankreich sehr gebräuchlichen Nießbrauch und interpretiert dieses rechtliche Instrument dann aus Sicht des englischen Rechts wie folgt:

"... the closest equivalent under UK law is a life interest settlement, with the bare owners holding the property for the benefit of the usufructuary (life tenant) with remainders to themselves."

Es handelt sich dabei aber um eine Richtlinien zur britischen Erbschaftsteuer ("Inheritance Tax Manual"). Sie beantwortet daher leider nicht die Frage, ob solches "nacktes Immobilieneigentum" ("bare ownership"), das durch die Aufspaltung in Eigentum und Niessbrauch in Deutschland entsteht, für den first time buyer Status des Eigentümers schädlich ist, also die Steuerprivilegierung zerstört,

Behandlung von Vorbehaltseigentum durch das UK Finanzamt nicht abschließend geklärt

Im "SDLT Manual" selbst finden sich keine konkreten Ausführungen zum deutschen Nießbrauch. Man ist für die Auslegung und Argumentation gegenüber dem britischen Finanzamt also auf die Definition von "first time buyer" in der Richtlinie SDLTM29845 angewiesen (). Diese lautet:

"In order to count as a first-time buyer, a purchaser must not, either alone or with others, have previously acquired a major interest in a dwelling or an equivalent interest in land situated anywhere in the world, regardless of the value of that interest. This includes previous acquisitions by inheritance or gift..."

Für die Frage, ob jemand, der in Deutschland von seinen Eltern Immobilieneigentum im Weg der vorweggenommenen Erbfolge übertragen bekommen hat, in England noch als "first time buyer" gelten kann, kommt es somit darauf an, ob der Begriff "interest in land" also das blanke Eigentum (Grundbucheintrag) meint, dann hätte der Beschenkte Pech gehabt, oder ob es auf die tatsächlichen Nutzungsrechte ankommt. Diese liegen ja beim Niessbrauchsberechtigten (dem Schenker). Dann hätte der Beschenkte, obwohl er in Deutschland bereits als Eigentümer im Grundbuch steht, noch kein Immobilieneigentum im Sinne der Stamp Duty Land Tax Richtlinie.

Ist Eigentumsübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt vergleichbar mit dem englischen "bare trust"?

Nach meiner langjährigen Erfahrung als Experte für deutsch-englisches Recht gibt es keine gesicherte einheitliche Handhabung dieser Frage durch das englische Finanzamt. Bis zu einem gewissen Grad kommt es auch auf die konkrete Ausgestaltung des Niessbrauchsrechts in der deutschen Notarurkunde an. Hat der Schenker zum Beispiel ein bedingungsloses Rückübertragungsrecht (können also die Eltern die Rückübertragung der geschenkten Immobilie verlangen), dann stärkt das die Argumentation des Beschenkten gegenüber HMRC, dass der Grundbucheintrag allein noch kein wirkliches Recht verschafft, solange der Schenker noch lebt.

Jedenfalls diese Fallkonstellation dürfte sehr ähnlich sein zum sogenannten "bare trust" nach englischen Recht, siehe die Finanzamts-Richtlinie SDLTM29855 - Definition of a first-time buyer – Previous acquisition by a Bare Trust, insbesondere die Passage:

"the trustees have no power over or right to deal with the trust property without the permission of the beneficiary who enjoys absolute entitlement"

Praxistips zu Immobilienerwerb und Nachlassplanung in deutsch-britischen Familien- und Vermögenskonstellationen

Wer also in UK eine Immobilie kaufen will, obwohl er in Deutschland bereits Grundvermögen unter Niessbrauchsvorbehalt geschenkt bekommen hat, sollte durchaus versuchen, vom UK Finanzamt als FTB akzeptiert zu werden. Hierbei kann eine rechtliche Stellungnahme eines Anwalts helfen (Affidavit of Law). Garantie gibt es wegen der komplexen Rechtslage allerdings keine.

Familien, bei denen jemand nach England zieht (beruflich oder zu Studienzwecken) und dort eine Immobilie kaufen will, sollten - unter dem Aspekt der SDLT - daher die Reihenfolge einhalten: (1) Zuerst die Immobilie in UK erwerben und das FTB-Privileg nutzen und (22) erst dann die vorweggenommene Erbfolge in Deutschland umsetzen.

Allerdings hat ein Wohnsitz und Immobilieneigentum in UK wiederum Auswirkungen bei anderen Steuerarten. Man darf bei der Steuergestaltung daher nicht isoliert nur auf eine einzige Steuerart starren, sondern muss eine 360 Grad Steueranalyse durchführen, wenn man nicht von anderen negativen Steuerfolgen überrascht werden will. Alles wird nicht einfacher durch die zahlreichen Gesetzesänderungen ab 2024/2025 durch die Labour-Regierung.

Weitere Informationen zum Thema Immobilienkauf und Nachlassplanung in England

Beitragsfoto: Pixabay.com real-estate-6688945

Kategorie: ErbrechtImmobilienrechtNachlassplanungFamily OfficeSteuernSteuerrecht

Autor
Bernhard Schmeilzl

Bernhard Schmeilzl

Rechtsanwalt & Master of Laws

+49 (0) 941 463 7070 schmeilzl@grafpartner.com

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