09.05.2025 |

Wie schlägt man das Amt des Executors aus?

Wer nicht Executor (Testamentsvollstrecker, Abwickler) eines englischen Nachlasses sein will, muss rechtzeitig ausschlagen und darf noch nicht "intermeddled" haben

Im Unterschied zum Erbrecht in Deutschland stehen im englischen Erbrecht nicht die Erben im Zentrum, sondern ein oder mehrere Nachlassabwickler. Jedes professionell formulierte Testament in England und Wales enthält eine Executor Klausel, die eine oder mehrere Person(en) als Abwickler des Nachlasses (executor of the estate) benennt. Manchmal auch als "executor and trustee", wobei das faktisch keinen Unterschied macht, denn jeder Executor ist per Definition stets "trustee", also Treuhänder. Er oder sie verwaltet das Nachlassvermögen treuhänderisch für die "beneficiaries", die Begünstigten. Executors und beneficiaries können personenidentisch sein (Beispiel: jemand setzt seinen Ehepartner sowohl zum alleinigen Executor als auch zum alleinigen Beneficiary ein), in vielen Fällen ist der Executor aber ein Dritter, der nicht selbst Begünstigter des Testaments ist. Mehr zu den Grundprinzipien des englischen Erbrechts und den Aufgaben eines Nachlassabwicklers in UK hier:

Die Rolle des Executors ist aufwendig und haftungsträchtig

Ein solcher Nachlassabwickler (Testamentsvollstrecker) in England muss sich um alles kümmern, von der Kommunikation mit allen Banken, Versicherungen, Depotverwaltern und staatlichen Stellen (Renten- und Pensionskassen), über die Sicherung und Verwaltung etwaiger Immobilien des Verstorbenen, bis hin zur Abgabe der UK Erbschaftsteuererklärung und Bezahlung der Steuern (aus der Erbmasse). Sodann natürlich die Beantragung des englischen Nachlasszeugnisses (der Begriff Erbschein passt in England nicht), des sogenannten "grant of probate". Ist dieses britische Nachlasszeugnis dann irgendwann erteilt (was in grenzüberschreitenden Fällen in der Regel sechs Monate oder länger dauert), löst der Executor die Geldanlagen auf, verkauft die Nachlassimmobilien (oder überträgt sie auf Begünstigte, was ebenfalls erheblich aufwendiger ist als in Deutschland, siehe Formular AP1) und macht schließlich eine Abschlussverteilung des liquidierten Nachlasses an die im Testament genannten Begünstigten (ich schreibe bewusst nicht Erben, weil die "beneficiaries" im englischen Erbrecht viel weniger rechte haben als Erben im Sinn des deutschen BGB).

Man sieht: Die Funktion eines Executors ist schon bei rein britischen Erbfällen anspruchsvoll und durchaus haftungsträchtig. Vergisst der Executor zum Beispiel, die Wohnimmobilie des Verstorbenen zu sichern (neues Türschloss, Alarmanlage) und bricht deshalb jemand ins Haus ein, stellt sich die Frage nach einer Schadensersatzhaftung des Executors. Ebenso, wenn Steuern zu spät gezahlt werden (in UK greifen saftige Verzugszinsen, Details hier). Hatte der Erblasser vermietete Immobilien oder gar ein Unternehmen, muss der Executor sich auch darum kümmern, also den Betrieb fortführen und die laufenden Einkommens- und Körperschaftssteuern bezahlen. Er muss den Betrieb natürlich nicht zwingend selbst fortführen, muss es aber organisieren, also etwa einen Interim-Geschäftsführer anstellen.

Noch komplizierter ist es bei internationalen, grenzüberschreitenden Erbfällen, vor allem was die Beantragung der jeweiligen Nachlasszeugnisse und Erbscheine angeht. Auch die Erbschaftsteuererklärungen haben es in deutsch-britischen Erbfällen in sich, da meist beide Finanzämter zugreifen wollen und zwischen UK und Deutschland bei der Erbschaftsteuer kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht (bei der Einkommensteuer dagegen schon).

Endgültig undankbar und nervenaufreibend wird die Rolle des Nachlassabwicklers bei streitigen Erbfällen (contentious probate), wenn also zum Beispiel über die Wirksamkeit oder die Auslegung eines englischen Testaments gestritten wird. Jedenfalls dann, wenn der Executor diese Rolle nicht beruflich ausübt (wie ein Anwalt), sondern privat, als Gefallen für den Erblasser.

Möglichst niemanden überraschend im Testament als Executor benennen

Es sollte sich eigentlich von selbst verstehen, dass der Ersteller eines Testaments (testator bzw. testatrix) nur solche Personen in seinem Testament als Executors benennt, mit denen er vorher darüber gesprochen hat und die sich ihm gegenüber bereit erklärt haben, diese Aufgabe später auch zu übernehmen. Es kommt aber nach meiner Erfahrung erstaunlich häufig vor, dass die im Testament benannten Personen hiervon überrascht werden, also erst nach dem Tod des Erblassers davon erfahren. Es ist wahrscheinlich, dass die als Nachlassverwalter benannte Person sich überfordert fühlt oder schlicht keine Zeit oder Lust hat, das Testamentsvollstreckeramt zu übernehmen. Er oder sie kann dann natürlich ablehnen, die Executor-Rolle also ausschlagen (to renounce the role of executor). Wie das technisch geht, erkläre ich unten im Detail.

Alternativen zur Ausschlagung des Testamentsvollstreckeramtes

Bevor man aber in einem englischen Erbfall die Rolle des testamentarischen Nachlassabwicklers ausschlägt, und damit endgültig auf die damit verbundenen Rechte und Kompetenzen verzichtet, sollte man überlegen, ob nicht eine der beiden folgenden Alternativen in Frage kommt:

  • Ein Executor kann nach englischem Erbrecht einen Stellvertreter benennen, also "power of attorney" erteilen. Der Begriff "attorney" bedeutet in diesem Kontext nicht Rechtsanwalt, sondern einfach nur Vertreter. Dieser "attorney" kann also ein englischer Solicitor sein, muss aber nicht. Dieser Vertreter übernimmt dann alle Aufgaben des Executors als dessen "representative". Der "attorney" steht dann auch namentlich im englischen "grant of probate". Das offizielle Formular für die Bestellung eines solchen attorney steht hier zum Download: PA11 form - power of attorney
  • Benennt das Testament mehrere Personen als Executors und ist wenigstens eine von ihnen bereit, das Amt auszuüben, dann können die anderen Executors - statt komplett auszuschlagen - in eine passive Rolle gehen. Die Terminologie des englischen Erbrechts hierfür ist "power reserved". Details zu in diesem Beitrag: Was bedeutet "power reserved" im englischen Erbschein?

Wie und gegenüber wem erklärt man die Ausschlagung im englischen Nachlassverfahren?

Ist der im Testament benannte Executor definitiv nicht bereit, das Amt zu übernehmen oder eine der beiden Alternativen zu nutzen, muss er oder sie formell ausschlagen. Hierfür stellt die englische Justiz - wie für fast alles (siehe hier) - ein offizielles Formular zur Verfügung, nämlich das Formular "PA15 - give up your rights as executor"

Der Zweck dieses formellen Dokuments ist es, dem englischen Nachlassgericht (probate court) zu erklären, warum nicht der im Testament benannte Executor den Antrag auf das Nachlasszeugnis stellt, sondern jemand anderer als "Ersatz-Executor". Das unterzeichnete PA15-Formular wird also als Anlage zum Antrag beim probate court mit eingereicht.

Wer ausschlagen will, darf aber mit den Nachlassabwicklung noch nicht begonnen haben, darf also insbesondere noch kein Nachlassvermögen in Besitz genommen, umgeschichtet oder gar an andere Personen ausgeschüttet haben. Hat ein Executor bereits mit solchen Maßnahmen begonnen, auf English genannt "intermeddling with the estate", ist keine Ausschlagung mehr möglich. Der Executor hat sein Ablehnungsrecht verwirkt und muss weiter machen. Details hierzu in diesem Beitrag hier.

Weitere Beiträge zu Erbrecht und Nachlassabwicklung in England sowie zur Nachfolgeplanung bei Vermögen in Großbritannien

Beitragsfoto: Freepik.com (41082)

Kategorie: ErbrechtNachlassplanungFamily OfficeEnglischer Trust

Autor
Bernhard Schmeilzl

Bernhard Schmeilzl

Rechtsanwalt & Master of Laws

+49 (0) 941 463 7070 schmeilzl@grafpartner.com

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