
Wann darf ein englischer Nachlassverwalter (Executor) ein Honorar berechnen? Und wie viel?
Nach englischem Erbrecht, in dem es keinen Direkterwerb der Erben gibt, muss immer jemand die Verantwortung für die geordnete Abwicklung des Nachlasses übernehmen, der sogenannte "personal representative". Hat der Erblasser diese Person in seinem Testament ausdrücklich bestimmt, nennt man ihn "executor". Wenn nicht (also inbesondere bei gesetzlicher Erbfolge), dann heißt der Abwickler "administrator". Diese Rolle, egal in welcher Variante, ist verantwortungsvoll und nicht ohne Risiken. Je nach Größe und Komplexität des Nachlassvermögens kann die Nachlassabwicklung viele Monate dauern, oft sogar zwei bis vier Jahre, insbesondere bei internationalen, grenzüberschreitenden Erbfällen.
Dennoch ist die Grundregel des englischen Rechts, dass ein "executor" prinzipiell, wenn nichts anderes vereinbart ist, kein Honorar für seine Tätigkeit erhält, sondern nur Ersatz von tatsächlich entstandenen Auslagen (Gerichtsgebühren, Fahrtkosten etc.) verlangen kann. In der Praxis werden viele Executors natürlich trotzdem nur gegen Bezahlung tätig.
Hat der Erblasser im englischen Testament eine Vergütung für den Nachlassabwickler festgelegt?
Eindeutig sind die Fälle, in denen das Testament selbst ausdrücklich bestimmt, ob der Testamentsvollstrecker eine Vergütung erhalten soll und ggf. in welcher Höhe. Solche Klauseln werden als "executor compensation clauses" oder auch "charging clauses" bezeichnet. In der juristischen Praxis in England und Wales enthalten die meisten Testamente, die von Solicitors (Anwälten) entworfen werden, solche "charging clauses", aber in der Regel nur für "professional executors", also Testamentsvollstrecker / Nachlassabwickler, die diese Aufgabe im Rahmen ihrer Berufstätigkeit ausüben (englische Anwälte, Steuerberater oder spezielle Nachlassdienstleister). Details dazu in Section 28 und Section 29 des Trustee Act 2000.
Für juristische Laien (lay person executors), also Familienangehörige, Freunde oder im Testament Begünstigte (beneficiaries), ist meist keine Vergütung vorgesehen. Honorarklauseln sind zwar auch für solche nicht-berufliche Executors möglich, in der Praxis aber selten.
UK Testamente ohne Vergütungsklausel für den Executor
Enthält das Testament keine Regelung zum Honorar des englischen Testamentsvollstreckers, ist die Rechtslage für "professional executors" unklar (non professional executors erhalten in diesen Fällen ohnehin keine Vergütung). Das Testament muss dann ausgelegt werden, was der Wille des Testamentserstellers war. Es besteht ohne charging clause jedenfalls ein erhebliches Risiko für einen im Testament benannten englischen Anwalt (Solicitor), ob dieser später sein Honorar aus dem Nachlass bekommt oder ob die Begünstigten (nach deutscher Terminologie die Erben) ihm die Vergütung verweigern.
In der Praxis wird ein im Testament als Executor benannter Anwalt, wenn das Testament keine charging clause enthält, vor Beginn der Nachlassabwicklung eine schriftliche Vereinbarung über das Honorar mit den Beneficiaries und mit etwaigen Co-Executors abschließen (wollen). Sind die Erben bzw. die Mit-Nachlassabwickler hierzu nicht bereit, wird der Berufs-Executor das Amt wohl ausschlagen, weil sonst späterer Streit über das Honorar vorprogrammiert ist. Mehr zur Ausschlagung des Testamentsvollstreckeramts in England hier:
Wie hoch ist die Vergütung für den Executor?
Auch hier gilt wieder vorrangig das, was dazu im Testament steht. Die meisten "charging clauses" in englischen Testamenten enthalten aber keine konkreten Stundensätze oder Prozentsätze vom Nachlasswert, sondern nur allgemeine Formulierungen wie "der Executor darf eine Vergütung in üblicher Höhe verlangen". Was üblich ist, hängt dann von mehreren Kriterien ab, wie etwa vom Gesamtwert des Nachlasses, der Komplexität (nur ein einzelnes Sparkonto oder viele verschiedene Geldanlagen und mehrere Immobilien, internationaler Erbfall, auslegungsbedürftiges Testament usw.) sowie den Sitz des Anwalts (Kanzleien in London sind teurer als in Newcastle).
Meist berechnen auf Nachlassabwicklung (estate administration) spezialisierte Rechtsanwälte in England Stundensätze zwischen 250 und 400 Pfund. Oft finden sich auch Klauseln in den Honorarvereinbarungen britischer Anwälte, dass unabhängig vom konkreten Zeitaufwand mindestens eine Anwaltsvergütung von 1,5 bis 2,5 Prozent des Nachlasswerts (estate value) berechnet wird, ähnlich der sog. Rheinischen Tabelle zur Testamentsvollstreckervergütung in Deutschland oder den (moderneren) Empfehlungen des Deutschen Notarvereins (mehr zur Situation in Deutschland unten). Zu einem fixen Pauschalhonorar in Form einer gedeckelten Obergrenze werden Anwälte in England entweder gar nicht bereit sein oder nur, wenn sie den Fall bereits intensiv geprüft haben und unerwartete Komplikationen unwahrscheinlich sind.
Faktisch legt die konkrete Vergütung im spezifischen Fall dann der Executor selbst fest und zieht die Anwaltsvergütung einfach vom Nachlass ab. Als Testamentsvollstrecker hat er ja Zugriff auf die Konten. Halten die Beneficiaries das konkret berechnete Honorar für zu hoch, können sie sich entweder bei der englischen Anwaltskammer (SRA) beschweren oder - jedenfalls theoretisch - einen Rechtsstreit vor dem englischen Zivilgericht führen (ich schreibe theoretisch, weil die Prozesskosten so hoch wären, dass es in der Praxis niemand tut). Zu Anwaltsaufsicht und Berufsrecht in England sowie zu den Kosten eines englischen Zivilprozesses hier:
Executor in England ist nicht automatisch Testamentsvollstreckung in Deutschland
Ordnet ein englisches Testament, das auch Nachlassvermögen in Deutschlan erfasst, einen Executor an (was ja der absolute Regelfall ist), dann bedeutet dies nicht automatisch auch, dass der Erblasser eine Testamentsvollstreckung in Deutschland wollte. Oft wird die Executor-Klausel des englischen Last Will and Testament vom deutschen Nachlassgericht ignoriert (Details im Beitrag unten). Zum Thema Kosten hier zum Vergleich ein Beitrag über die Höhe der Vergütung eines Testamentsvollstreckers in Deutschland:
- Bedeutet Executor-Klausel immer auch Testamentsvollstreckung in Deutschland?
- Wie viel Honorar darf der Testamentsvollstrecker abrechnen? Und wann?
Mehr zu Erbschaft und Nachlassabwicklung durch Executors in England, UK Erbschaftsteuer und Erbscheinsverfahren
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- The Gazette - Can executors charge fees for administering an estate?
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