13.01.2025 |

Verklagt in England. Was nun?

Wie verhält man sich als Beklagter in einem englischen Zivilprozess?

Im Unterschied zu Deutschland kann eine Zivilklage nach englischem Zivilprozessrecht (Civil Procedure Rules) nicht überraschend kommen, da ein Kläger in England vor Klageerhebung das streng geregelte "pre-action protocol" durchlaufen muss. Details dazu hier:

Wird man von der Zustellung einer Zivilklage an einem englischen Gericht (High Court oder County Court) überrascht, muss man also entweder vorprozessuale Schreiben der Gegenseite aus England ignoriert haben oder man hat die Klageandrohung nicht ernst genommen und es auf eine Klage in Großbritannien ankommen lassen.

Geht einem die offizielle Klageschrift dann formell zu, ist Eile geboten, um ein Versäumnisurteil (default judgment) des englischen Zivilgerichts zu verhindern.

Reaktionsmöglichkeiten des Beklagten im englischen Zivilprozess

Nach Zustellung der Klage inklusive response pack muss sich der Beklagte nun entscheiden, ob er den Anspruch (teilweise) anerkennt oder sich verteidigen will. Eine Übersicht der Optionen für den Baklagten findet sich im offiziellen Infoblatt N1C Notes for Defendant.

Im Wesentlichen hat der Beklagte drei Optionen:

  • Beklagter reagiert gar nicht (defendant does not respond) → dann wird der Kläger sehr wahrscheinlich ein Versäumnisurteil (judgment by default) beantragen.
  • Der Beklagte erkennt den Anspruch ganz oder teilweise an (defendant admits the claim whole or in part) → es ergeht ein Anerkenntnisurteil und – falls der Rest noch streitig bleibt – wird diesbezüglich weiter prozessiert.
  • Der Beklagte bestreitet dem gesamten Anspruch (defendent disputes the claim) → der Zivilprozess schreitet voran (Schriftsätzte, Beweisaufnahme, Urteil), siehe die Übersicht "Der Ablauf eines Zivilprozesses in England"

Eventuell eine Widerklage geltend machen

Falls der Beklagte meint, dass er zu einem Gegenanspruch (counter claim) berechtigt ist, wird er neben der Reaktion auf den Hauptanspruch ggf. eine Widerklage geltend machen. Details dazu in CPR Part 20 und PD 20.

Weitere Informationen zum Zivilprozess in England mit Praxistipps für deutsche Prozessparteien in Wirtschaftsstreitigkeiten:

Der Autor ist Experte für deutsch-englische Rechtsfälle, insbesondere internationale Zivil- und Wirtschaftsprozesse, Familienrecht sowie Nachlassabwicklung. Im Beck-Verlag verantwortet er den Länderbericht zum Familienrecht von England und Wales sowie das Praxishandbuch zum englischen Zivilprozess. Dieser Beitrag ist ein gekürzter Auszug aus dem Kapitel "Der Ablauf des Zivilprozesses in England und Wales im Detail" des Praxisleitfadens "Der Zivilprozess in England".

Beitragsfoto von Wesley Tingley auf Unsplash.com

Kategorie: ProzessrechtWirtschaftsrechtZivilprozesseHigh CourtCounty Court

Autor
Bernhard Schmeilzl

Bernhard Schmeilzl

Rechtsanwalt & Master of Laws

+49 (0) 941 463 7070 schmeilzl@grafpartner.com

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