27.01.2025 |

Das Versäumnisurteil im englischen Zivilprozess

Versäumnisurteil im englischen Zivilprozess Voraussetzungen VU am High Court England

Das "default judgment" nach Rule 12 der englischen Zivilprozessordnung

Reagiert der Beklagte eines Zivilprozesses in England (defendant) nicht innerhalb der Antwortfrist von 14 Tagen auf die formelle Zustellung der Klage, kann der Kläger (claimant) den Erlass eines Versäumnisurteils (default judgment) beantragen, Rule 12.3 der Civil Procedure Rules (CPR). Wie immer im englischen Prozessrecht gibt es hierfür Formulare, nämlich:

  • Formular N30 “Judgment for claimant (in default)” für Verfahren am County Court
  • Formular N30(HC) “Judgment for claimant (in default)” für Verfahren am High Court

Hat der Beklagte damit endgültig den Zivilprozess verloren?

Nein, ähnlich wie im Geltungsbereich der deutschen Zivilprozessordnung (siehe §§ 338 ff ZPO) ist auch in England ein "default judgment" noch nicht zwingend das Ende des Gerichtsverfahrens, weil der Beklagte auch jetzt noch begründete Einwendung vorbringen kann. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Versäumnisurteils (setting aside a default judgment) sind in England allerdings erheblich strenger als nach deutscher ZPO. Wegen der Details zum Einspruch gegen ein Versäumnisurteil in England siehe CPR Rules 13.2 und 13.3.

Abgrenzung "default judgment" zu "summary judgment"

Reagiert der Beklagte zwar, reicht also eine Klageerwiderung ein, kommt das englische Zivilgericht aber bereits nach Auswertung der Schriftsätze zum Ergebnis, dass die Klage entweder eindeutig begründet ist oder aber umgekehrt offensichtlich keinerlei Erfolgsaussicht hat, kann das Gericht – entweder auf Antrag einer Partei (siehe Formular N244 “Application for summary judgment on a claim for specific performance” und PD 24 para. 7.2) oder von sich aus – ein summary judgment erlassen, also in der Sache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die deutsche ZPO kennt hierfür in Verfahren erster Instanz keine Entsprechung. Das summary judgment im englischen Zivilprozess hat allerdings eine gewisse Ähnlichkeit mit der einstimmigen Zurückweisung einer Berufung wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit nach § 522 Abs. 2 ZPO.

Die englische CPR Rule 24.2. definiert die Voraussetzungen eines summary judgments wie folgt:

“The court may give summary judgment against a claimant or defendant on the whole of a claim or on a particular issue if – (a) it considers that –(i) that claimant has no real prospect of succeeding on the claim or issue; or(ii) that defendant has no real prospect of successfully defending the claim or issue; and(b) there is no other compelling reason why the case or issue should be disposed of at a trial.”

Die Anforderungen an diese Prüfung der (fehlenden) Erfolgsaussicht sind hoch. Ein summary judgment ergeht in der englischen Gerichtspraxis nur in ganz eindeutigen Fällen.

Weitere Informationen zum Zivilprozess in England mit praktischen Tipps für deutsche Prozessparteien in Wirtschaftsstreitigkeiten:

Praxishandbuch Zivilprozess England

Beitragsfoto: Lizensiert von Alamy.com (2AT7M71)

Kategorie: ProzessrechtWirtschaftsrechtZivilprozesseHigh CourtCounty CourtAnwaltsrecht

Autor
Bernhard Schmeilzl

Bernhard Schmeilzl

Rechtsanwalt & Master of Laws

+49 (0) 941 463 7070 schmeilzl@grafpartner.com

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