
Schadensersatzanspruch wegen Verleumdung in England am Beispiel der Klage gegen Tommy Robinson
High Court London spricht englischem Schüler Schadensersatz von 100.000 Pfund zu wegen Verleumdung auf facebook
Die Grundzüge des Rechts der Verleumdung in England sowie die Möglichkeiten, wie man sich per Unterlassungsklage und Anspruch auf Schadensersatz dagegen wehrt, habe ich bereits in diesem Beitrag dargestellt: Verleumdet in der englischen Presse: Unterlassung, Gegendarstellung, Schmerzensgeld?
Wie ein solcher Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch wegen inhaltlich falscher und verleumderischer Berichterstattung in England in der Praxis abläuft, lernt man am Beispiel an einem konkreten Fallbeispiel. Am besten, in dem man ein echtes Urteil des englischen High Court liest.
Hervorragend geeignet ist hierfür etwa das Urteil des englischen High Court vom 22. Juli 2021 gegen den umstrittenen Anti-Islam-Aktivisten Tommy Robinson, der mit echtem Namen Stephen Yaxley-Lennon heißt (Aktenzeichen der High Court Entscheidung: 2021 EWHC 2008 (QB)). Das Urteil steht hier im Volltext zum Download:
- Schadensersatz-Urteil gegen Tommy Robinson wegen Verleumdung in einem Video auf facebook (948.56 KB)
Aktivist und Influencer verbreitete bewusst verleumderische Inhalte
In diesem Urteil spricht die Medienrechtskammer (Media & Communications List) des englischen High Court in London einem zur Zeit des Vorfalls 15-jährigen Schüler, dem aus Syrien nach England geflüchteten Jamal Hijazi, Schadensersatz von 100.000 Pfund zu. Tommy Robinson (Stephen Yaxley-Lennon) hatte in einem Video, das als journalistische Reportage aufgemacht war, verleumderische Behauptungen über den Jungen aufgestellt, von denen Robinson nach Meinung des Gerichts wusste, dass diese falsch waren. Das Video erzeugte auf facebook große Reichweite und führte zu zahlreichen Morddrohungen gegen den minderjährigen Schüler.
Details zum Sachverhalt in diesen Medienberichten:
- BBC: Tommy Robinson loses Jamal Hijazi libel case
- The Guardian: Tommy Robinson loses libel case brought by Syrian schoolboy
Der Fall beleuchtet den Umgang der englischen Gerichte mit verleumderischer Falschberichterstattung in den Social Media Netzwerken, die für die betroffenen Personen existenzvernichtende und lebensgefährliche Konsequenzen haben können.
Die Entscheidung ist zudem auch ein plastisches Beispiel für die immensen Kosten eines Rechtsstreits in England. Das Gericht hat den Beklagten Tommy Robinson neben dem Schadensersatz von 100.000 Pfund auch zur Erstattung von Anwaltskosten des Klägers in Höhe von mindestens 500.000 Pfund verurteilt, mittlerweile dürften es sogar mehr als 700.000 Pfund sein, da Tommy Robinson später auch noch wegen Missachtung des Gerichts verurteilt wurde (dazu gleich).
Streit der Groß-Podcaster Jordan Peterson und Piers Morgan
Besondere Aufmerksamkeit erlangte der Fall auch deshalb, weil sich über den umstrittenen Aktivisten Tommy Robinson, den Gründer der rechtsextremen "English Defence League" mit Vorstrafenregister wegen Gewalt gegen Polizisten u.a. (mehr zum Hintergrund von Tommy Robinson hier), ein hitziger Disput zwischen den Podcast-Größen Jordan Peterson und Piers Morgan entzündete. Zudem befeuerte Elon Musk im Januar 2025 die Kontroverse, indem er Tommy Robinson für seine Berichterstattung über einen anderen Skandal lobte (Details dazu hier) und den (falschen) Eindruck erweckte, Tommy Robinson säße im Gefängnis, weil der woken englische Regierung seine Berichterstattung nicht gefallen habe.
Tommy Robinson wegen Missachtung des Gerichts im englischen Gefängnis
Tatsächlich kam Tommy Robinson 2024 in England aber deshalb ins Gefängnis, weil er gegen Gerichtsentscheidungen verstoßen hatte und trotz des gerichtlichen Verbots (injunction, also Unterlassungsverfügung) weiterhin falsche Aussagen und Videos auf seinem X-Account veröffentlichte. Das im Vergleich zu Deutschland erheblich strengere englische Recht sieht für eine solche Verletzung von Gerichtsurteilungen oder Verfügungen erhebliche Gefängnisstrafen vor. Bezeichnet wird dies in England als "contempt of court", also Missachtung des Gerichts.
Auch hier sorgt Tommy Robinson also für hochinteressante Entscheidungen, die spannendes Lehrmaterial für deutsche Juristen mit Interesse an der englischen Gerichtspraxis darstellen.
Eine Zusammenfassung der Gründe für die Verurteilung von Tommy Robinson zu einer Gefängnisstrafe wegen Missachtung des Gerichts hier: Sanction for contempt of court Summary of reasons of Mr Justice Johnson
Schadensersatz-Urteil des High Court ist lehrreiches Beispiel für effektive Abwehr von Verleumdung
Die Gerichtsverfahren um die schillernde Person Tommy Robinson, bieten einen Rundum-Praxiseinblick, wie die englische Justiz in Zeiten von Social Media mit Fake News Berichterstattung umgeht.
Ergebnis im konkreten Fall: Neben den 100.000 Pfund Schadensersatz wurde Tommy Robinson auch verurteilt, dem Kläger seine Anwaltskosten zu ersetzen. Diese werden mit mindestens 700.000 Pfund beziffert! Später ging Robinson wegen Missachtung von Gerichtsentscheidungen dann auch noch ins Gefängnis.
Allerdings wird der Kläger von alldem vermutlich trotzdem wenig sehen, denn Tommy Robinson hat Privatinsolvenz angemeldet.
Weitere Informationen zu Prozessführung in England
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Rechtsanwalt Bernhard Schmeilzl ist Experte für deutsch-englisches Recht und Autor des Praxishandbuchs "Der Zivilprozess in England"

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