
Das untere Strafgericht in England hat Verteilerfunktion
Alle Strafverfahren in England und Wales (Schottland hat seine eigene Strafjustiz) beginnen an einem der rund 160 örtlichen Magistrates’ Courts, dem unteren Strafgericht (lower criminal court). Für 95 Prozent der Strafverfahren bleibt dieses Eingangsgericht auch endgültig zuständig und über diese Fälle (minor criminal offences) wird dort entschieden, entweder durch einen "district judge" als Einzelrichter oder durch drei (manchmal auch nur zwei) magistrates, also Schöffen, früher auch "justice of the peace". Eine Jury gibt es am Magistrate's Court nicht.
Fälle schwerer Kriminalität (indictable only offences) werden an den Crown Court verwiesen. Ebenso Fälle mittlerer Kriminalität (either-way offences), wenn der Beschuldigte auf einem Jury-Prozess besteht.
Das Höchststrafmaß, das der Magistrate's Court verhängen darf, sind sechs Monate Gefängnis bzw. 12 Monate Gesamtstrafe (bei mehreren Delikten). Stellt sich im Rahmen eines Verfahrens vor dem unteren Starfgericht heraus, dass voraussichtlich eine höhere Strafe zu verhängen ist, wird der Fall ebenfalls an den Crown Court verwiesen.
Einen Einblick in den Ablauf eines Arbeitstages am Magistrates' Court gibt diese BBC Reportage.
Wer sind die Magistrates (Schöffen) am englischen Strafgericht?
Magistrates, früher auch Friedensrichter (justices of the peace), sind ehrenamtlich tätige Nichtjuristen aus allen Gesellschaftsschichten. Sie stellen sich pro Jahr für mindestens 13 Verhandlungstage plus Schulungstermine zur Verfügung und entscheiden neben den Strafgerichtsfällen auch über Familienrechtsfälle. In England und Wales sind dies aktuell gut 12.000 Personen im Alter zwischen 18 und mit 75 Jahren.
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Rechtsanwalt Bernhard Schmeilzl ist Experte für deutsch-britisches Recht. Er berät seit 2000 Mandanten und Anwaltskollegen bei grenzüberschreitenden Fällen, betreibt mehrere Expertenblog zum internationalen Recht und gibt regelmäßig Interviews zu Fragen des englischen Rechts, kürzlich zum Justizskandal rum um die wohl unschuldig zu 15 Mal Lebenslänglich verurteilte Kinderkrankenschwester Lucy Letby.

Beitragsfoto: Sue Winston auf Unsplash.com