
Tante in England vererbte ihren deutschen Nichten 400.000 Pfund. Das Geld ist jetzt weg.
Es ist schon betrüblich genug, wenn man auf die Betrugsmasche der falschen Erbschaft hereinfällt und irgendwelchen Gaunern ein paar tausend Euro für vermeintliche Erbscheinsgebühren oder Steuern überweist (mehr zu diesen Fällen hier).
Noch viel ärgerlicher ist es allerdings, wenn - wie in einem aktuellen Fall unserer Kanzlei - eine echte Erbtante in England ihren deutschen Verwandten ein beträchtliches Vermögen hinterlässt, das auch tatsächlich existiert, diese Erbschaft dann aber von dubiosen Nachlassabwicklern (Executors) in Großbritannien unterschlagen wird. Und keiner will schuld gewesen sein!
Was ist passiert?
Ein Lehrstück zum englischen Rechtssystem, in dem eine "law firm" keine Rechtsanwälte haben muss und in dem sogenannte "Will Writers" (Testamentsersteller) seit vielen Jahrzehnten hochbetagte Damen und Herren abzocken. Diese drastische Wortwahl stammt übrigens nicht von mir. Sogar die altehrwürdige BBC sendete bereits im August 2010, also vor 15 Jahren, eine halbstündige Reportage über die "Will Writer" Branche mit dem Titel "Wills - The Final Rip Off?" (übersetzt: "Testamente - die letzte Abzocke?", wobei die englische Überschrift auch noch das Wortspiel R.I.P. enthält, also "rest in peace")

Bereits damals prangert die BBC Reportage an, dass diese "unregulated" Rechtsdienstleister auf dem Gebiet der Testamentserstellung, die trotz des Begriffs "legal service provider" aber gerade keine englischen Rechtsanwälte (Solicitors) sind, oft katastrophale Fehler machen. Der Ankündigungstext zur Reportage stellt die Frage, ob es nicht höchste Zeit ist, diese nichtanwaltlichen "legal service provider" strenger zu regulieren und zu überwachen. Noch konkreter wird die Kritik in diesem Begleitartikel der BBC zur TV-Reportage sowie in der Stellungnahme im Rahmen einer Untersuchung der Verbraucherschutzorganisation Legal Services Consumer Panel.
Neben der juristisch oft schlechten Qualität der Testamente werden Will Writer Firmen für unnötige Hinterlegungs- und Verwahrungsgebühren kritisiert und vor allem dafür, dass sie sich meist selbst als Executors in das Testament schreiben, also als diejenige Person, die den Nachlass später abwickelt - natürlich gegen satte Gebühren.
Zwischenergebnis: Die Branche der "unregulated will writers" steht seit vielen Jahren in der Kritik. Passiert ist allerdings seither nichts. Viele Dutzend solcher dubioser "law firms" bieten nach wie vor im Internet und in Zeitungsanzeigen die Erstellung eines professionellen Testaments für 29 Pfund.
"Law firms" sind in England nicht immer Anwaltskanzleien
Verblüffend aus deutscher Sicht: Wo "law firm" oder "legal services" drauf steht, muss in England kein Anwalt drin sein! Das englische Recht ist in Sachen Rechtsdienstleistungen (legal services) nämlich viel kulanter als das deutsche Recht. Hierzulande geht man davon aus, dass Rechtsberatung nur zugelassene Anwältinnen und Anwälte erbringen dürfen. Im Großen und Ganzen ist das auch so, mit sehr wenigen Ausnahmen, siehe das deutsche Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Bis 2008 galt das Rechtsberatungsgesetz (RBerG), das noch einen "Rechtsbeistand" als Rechtsberater erlaubt hat. Diese Zeiten sind in Deutschland aber lang vorbei.
Nicht so in England.
Recherchiert man, wer in England Rechtsberatung und Rechtsdienstleistungen erbringen darf, findet man auf der Website der ehrwürdigen "Law Society of England & Wales" folgendes verblüffendes Statement:
It is not necessary to be a solicitor, barrister or other recognised professional in order to practise law in England and Wales.
Anyone is free to offer legal advice and services in England and Wales, in any law, including English law, with only the following restrictions:
(a) only those qualified and certificated as solicitors or barristers in England and Wales can call themselves by those titles. It is a criminal offence to act as a solicitor, or to pretend or imply that you are one
(b) certain limited areas of law are reserved to solicitors and barristers or other recognised professionals who are qualified to practise in England and Wales.
Das englische Pendent zum deutschen Rechtsdiensleistungsgesetz, der Legal Services Act 2007, ist also erheblich weniger restriktiv. Was nicht ausdrücklich den "echten englischen Anwälten" (Solicitors und Barristers) vorbehalten ist, darf auch von Hinz und Kunz als Rechtsdienstleistung (legal service) angeboten werden. Man darf sich also als "Rechtsberater" ohne jedes Jura-Studium auf dem Markt platzieren und - wie WDS - auf seinem "Kanzlei"-Briefpapier alberne Titel wie "Most Innovative Law Firm 2016" oder "Most Outstanding Probate Firm 2020" abdrucken (siehe Bild unten), ohne dass irgend jemand in der Firma jemals eine Universität von innen gesehen hat, von Anwaltszulassung mal ganz zu schweigen.
Solange man sich also nicht als "Solicitor" oder "Barrister" bezeichnet und solange man sich von den "reserved areas of law" fern hält, kann man sich als "law firm" bezeichnen und Rechtsberatung betreiben (offer legal advice).
Wählt ein Mandant in England allerdings einen solchen "unregulierten Rechtsdienstleister" hat das handfeste Nachteile. Nicht nur ist der Pseudoanwalt schlicht schlechter ausgebildet. Sondern seine Berufshaftpflichtversicherung (falls sie überhaupt besteht), windet sich viel häufiger aus der Haftung als die eines echten englischen Rechtsanwalts (Solicitor). Bei letzteren sind auch Veruntreuungsfälle abgedeckt, bei den Pseudo-Lawyers oft nicht.
Zudem unterliegen die Dünnbrett-Rechtsberater ohne Zulassung nicht den extrem strengen Berufsregularien der englischen Anwaltschaft, die ich in diesem Beitrag hier erläutere: Die anwaltliche Berufsaufsicht in England: SRA, BSB, LSB
Zurück zum konkreten Fall der englischen Erbtante und ihren deutschen Nichten
Die Tante, nennen wir sie Maria Feldgruber, wurde 1953 in Unterfranken geboren. Der Liebe zu einem Briten wegen zog sie 1985 nach England und lebte bis zu ihrem Tod 2019 in Bristol. Die (später geschiedene) Ehe blieb kinderlos.
Im Jahr 2013, also mit 60 Jahren, machte sie sich Gedanken über ihr Testament und beauftragte - ein folgenschwerer Fehler - die "law firm" WDS ASSOCIATES LEGAL SERVICES LTD mit Sitz und Geschäftsadresse 255 Two Mile Hill Road, Kingswood, Bristol , Companies House Registernummer 05398796 (im folgenden: WDS Ltd 2005), ihr bei der Formulierung des englischen Testaments zu helfen. Sie wollte, dass ihre nächsten Verwandten erben, also ihre vier Nichten in Deutschland.
Nach englischem Erbrecht müssen Testamente von zwei Zeugen bestätigt werden. Zudem muss immer ein Executor (Nachlassabwickler) benannt werden, der nach dem Tod der Erblasserin die Erbmasse in Besitz nimmt, verwaltet, liquidiert, die Steuern und Nachlassverbindlichkeiten zahlt und erst ganz am Ende das restliche Nachlassvermögen (the residuary estate) an die Begünstigten ausschüttet. Ein solcher Executor hat im englischen Erbrecht eine sehr starke Position. Die Begünstigten (ich schreibe bewusst nicht "Erben", weil es Erben nach deutschen Verständnis im englischen Recht nicht gibt) haben kaum Einflussmöglichkeiten.
Der Leser ahnt, wer im Testament unserer Frau Maria Feldgruber als Executors aufgeführt waren: Die beiden Inhaber und Geschäftsführer der WDS Ltd 2005,
- Michael George Diamond (Jahrgang 1960) und
- Debra Dawn Anne Diamond (Jahrgang 1961)
Damit verrate ich keine Geheimnisse und verstoße auch nicht gegen Datenschutzrecht, denn all diese Informationen sind im englischen Handelsregister ohnehin für jeden frei zugänglich und kostenlos abrufbar: https://find-and-update.company-information.service.gov.uk/company/05398796/officers
So weit, so gut. Noch nichts ungewöhnliches oder gar illegales passiert.
Als die englische Erbtante im August 2019 stirbt, beantragen die beiden Executors das englische Nachlasszeugnis (Grant of Probate), erhalten diesen im April 2020 und beginnen mit der Nachlassabwicklung, also der Auflösung der Bankkonten und vor allem mit dem Verkauf des Hauses in Bristol.
Das behaupten die beiden Executors von WDS Ltd 2005 zumindest. Denn es entstehen bei den deutschen Nichten, die im Testament als Begünstigte stehen, immer mehr Zweifel, ob da in England alles mit rechten Dingen zugeht. Anfragen werden über Monate nicht beantwortet und dann nur mit "anonymen" E-Mails, also ohne Angabe irgend einer konkreten Person. Vertröstungen, dass die Auszahlung sich noch verzögere, weil der Verkauf der Immobilie schwierig sei. Dann wieder lange Funkstille.
Irgendwann beauftragt eine der vier deutschen Nichten mich mit der Überprüfung des Falls und bittet mich um meine Einschätzung, was da los ist.
Das doppelte Lottchen
Als erstes recherchiere ich natürlich die WDS Ltd. Und da wird mir schon ein wenig mulmig. Denn nicht nur spricht das auf Google Street View (Link) zu bewundernde Bürogebäude der tollen "law firm" Bände:

... sondern aus dem englischen Handelsregister (Companies House) ist auch klar ersichtlich, dass die beiden Inhaber Michael und Debra Diamond zwei fast völlig identische Limited Companies parallel betreiben, nämlich:
- WDS ASSOCIATES LEGAL SERVICES LIMITED, Company Register Nr. 05398796, gegründet 19. März 2005 (Link) sowie
- WDS ASSOCIATES LS LTD, Company Register Nr. 13632273, gegründet 20. September 2021 (Link)
Beide WDS Limiteds haben:
- die identische Geschäftsadresse (siehe Foto oben)
- die identischen Inhaber / Gesellschafter, nämlich Michael und Debra Diamond
- die identischen Geschäftsführer, nämlich Michael und Debra Diamond
- den identischen Geschäftszweck (nature of business), nämlich: "69109 - Activities of patent and copyright agents; other legal activities not elsewhere classified"
- der identischen Website auf der praktischerweise nur allgemein von "WDS Associates" gesprochen wird, man den Unterschied "Legal Services" und "LS" im Firmennamen also charmant umschifft: https://www.wdsassociates.co.uk/
OK, jetzt bin ich sauer!
Denn es gibt für einen ehrenwerten Kaufmann, erst Recht für einen Rechtsdiensteanbieter, keinen vernünftigen Grund, solche identischen Zwillingesellschaften parallel laufen zu lassen, außer den, seine Kunden und Mandanten über etwas zu täuschen oder sich Haftungsansprüchen entziehen zu wollen. Der Ansatz von Parallel-Limiteds (oder zum Verwechseln ähnlichen Parallel-GmbHs) ist ein altbekannter billiger Bauerntrick, der schon dann nicht funktioniert, wenn man es gut umsetzt. Die beiden Diamond-Akteure hier machen es aber auch noch besonders schlecht, weil Briefpapier der 2021 gegründeten WDS Associates LS Ltd Logos verwendet mit: "32 years of professional legal services" und (wahrscheinlich selbst verliehenen) Prädikaten wie:

Mit Verlaub:
Erstens: Wie peinlich sind solche offenkundig erfundenen bzw. gekauften bzw. selbst verliehenen Awards. Zweitens: Wie unprofessionell muss man sein, dass es einem nicht auffällt, dass eine 2021 gegründete Limited keine Awards aus 2016 bis 2020 auf ihrem Briefbogen auflisten sollte? Jedenfalls dann nicht, wenn die 2021 gegründete Limited behauptet, ÜBERHAUPT NICHTS mit der alten WDS Associates Limited Services Ltd aus 2005 zu tun zu haben und definitiv nicht für deren Verbindlichkeiten haften zu wollen. Warum das wichtig ist, dazu gleich im Detail.
Vorher noch ein Hinweis darauf, was viele ehemalige Mandanten vom Service der WDS halten:

Bekäme ein echter, ordnungsgemäß zugelassener Solicitor in England derart viele vernichtende Kritiken wie WDS auf den Online-Bewertungsportalen wie Google (hier) oder YELP (hier), wäre die Solicitor-Kanzlei wohl längst nicht mehr auf dem Markt. Denn Beschwerden von Mandanten führen bei echten Anwaltskanzleien zu offiziellen Rügen der Anwaltskammer und - ganz handfest - zu massiv höheren Haftpflichtversicherungsbeiträgen.
Unsere Mandantin in Deutschland hat es aber leider noch viel schlimmer erwischt, als die unzufriedenen Kunden auf den Bewertungsportalen.
Denn, und jetzt komm es:
Die Bombe platzt
Per Schreiben vom 26.4.2023 informiert die "WDS Associates LS Ltd" kit Companies House Nr. 13632273, also die erst 2021 gegründete WDS, dass - leider, leider - ein langjähriger und bislang immer sehr vertrauenswürdiger Mitarbeiter, nämlich Herr Jamie Cockwell, völlig unerwartet 1,62 Millionen Pfund (knapp zwei Millionen Euro) unterschlagen habe, darunter leider auch das Guthaben von rund 400.000 Pfund der deutschen Nichten der Frau Feldgruber.
Man würde jetzt mal sehen, ob die Versicherung das übernimmt. Und man habe natürlich auch Strafanzeige gestellt. Aber ansonsten könne man jetzt auch nicht mehr viel machen und man würde es wirklich ganz arg bedauern. Aber das Geld sei wohl weg und man sei ja auch selbst geschädigt von dem bösen Mitarbeiter.
Hier der Brief, mit einigen handschriftlichen Hinweisen meinerseits auf logische Unstimmigkeiten (besonders lustig der Betreff mit dem WDS-Aktenzeichen aus 2019, obwohl der Brief angeblich von der WDS Ltd stammt, die erst 2021 gegründet wurde):

Zwischenfazit:
Die Akteure der WDS sind mindestens unfähig und unseriös, vielleicht sogar hoch kriminell.
Wenn man die Timeline durchdenkt, spricht nämlich sehr viel dafür, dass die Zwillings-Limited im September 2021 gegründet wurde, weil Herr und Frau Diamond zu dieser Zeit bereits von der Veruntreuung der 2,5 Millionen Euro wussten. Sie wollten das Geschäft mit neuen Mandanten still und heimlich über die parallel hochgezogene neue WDS Ltd 2021 laufen lassen, während die alte WDS Ltd 2005 kein Neugeschäft mehr annehmen sollte. Denn diese würde ja, so wussten Michael und Debra Diamond damals bereits, unweigerlich pleite gehen.
Ihren Mandanten bzw. den Begünstigten in den Testamenten ihrer Mandanten, teilten sie die Veruntreung erst ein-einhalb Jahre später mit, per Schreiben vom 26. April 2023!
Ich bin auch höchst persönlich verärgert, weil ich genau in dem Zeitraum von September 2021 bis Mitte 2022 mehrfach mit WDS Ltd korrespondiert und telefoniert habe, um nach dem Sachstand der Nachlassabwicklung zu fragen. Stets hieß es: Ja, läuft alles, dauert halt noch. Kein Wort darüber, dass ein Mitarbeiter 2,5 Millionen von den Konten geräumt hat.
Im Nachhinein ist nun klar, dass WDS die ganze Zeit über ein armseliges Schauspiel aufgeführt hat, wobei die größe Sorge der beiden Diamonds offenkundig war, das Neugeschäft auf eine Klon-Company zu überführen.
Was können die deutschen Erben tun?
Die weitere Korrespondenz mit den "Diamonds" verläuft unerquicklich, zäh und ohne Ergebnis. Konkrete Fragen wie:
- Gibt es ein Strafverfahren gegen Jamie Cockwell und was war das Ergebnis?
- Zahlt die Versicherung der WDS den Schaden?
- Hat WDS Herrn Cockwell auf Schadensersatz verklagt? Was ist das Ergebnis? Wird vollstreckt?
... verlaufen im Sande.
Ich grabe also tiefer im englischen Handelsregister und werte die dort veröffentlichten Jahresabschlüsse aus. Und siehe da, bereits im Jahresabschluss der "alten" WDS Ltd 2005 für das Geschäftsjahr 1. April 2020 bis 31. März 2021 (in UK haben die meisten Companies ein solches vom Kalenderjahr abweichendes Geschäftsjahr), findet sich folgender Hinweis:
"Since the Year End the extent of a fraudulent theft of the company and client funds has come to light. The police have been advised and there is a crime number. The Directors best estimate of the losses is £500,000 from the company (which includes £198,390 charged in these accounts) and £1.6 million from clients. It is unlikely that significant reparations can be claimed from the perpetrator. The Company's insurers are disputing their liability under the policy and so the company will suspend trading from Ist April 2022 until this is resolved and will continue to provide legal services through an associated company."
Wow. Es sind also insgesamt 2,1 Millionen Pfund verschwunden, gute 2,5 Millionen Euro, davon knapp 2 Millionen Euro Mandantengelder, also von WDS treuhänderisch verwarte Erbschaften. Herzlichen Glückwunsch, das muss man als derart kleine "law firm" erst einmal schaffen.
Veröffentlicht wurde diese Bilanz übrigens bereits am 22. März 2022. Kenntnis von der Veruntreuung hatten die Geschäftsführer bereits Monate vorher. Die geschädigten Mandanten informierte WDS allerdings erst mehr als ein Jahr später, siehe das obige Schreiben der "neuen" WDS Ltd 2021 vom 26. April 2023.
Schadensersatz von den Gesellschafter-Geschäftsführern?
Besteht noch Hoffnung?
Nun, WDS schreibt bereits im Jahresabschluss 2021 (siehe oben), dass die Versicherung der Gesellschaft die Regulierung ablehnt und dass es leider auch unwahrscheinlich sei, dass man vom Straftäter nennenswerten Schadensersatz erhalten wird. Es wäre interessant zu wissen, wie Jamie Cockwell die 2,5 Millionen Euro durchgebracht hat.
Die WDS Ltd 2005 ist natürlich mittellos und wird nun abgewickelt. Würde es sich um eine echte englische Anwaltskanzlei handeln, dann stünde als letzte Rettung für den geschädigten Mandanten der sog. "SRA Compensation Fund" bereit, der Schäden ersetzt, wenn die anwaltliche Berufshaftpflichtversicherung nicht reguliert. Aber die "Pseudokanzleien" wie WDS haben so etwas nicht. Diese "unregulated legal service provider" erhalten zwar eine SRA ID Nummer und werden als "legal service provider" auch im offiziellen Verzeichnis "Find a solicitor" gelistet (was einigermaßen verwirrend erscheint, weil sie ja gerade keine Solicitors sind), die SRA-Website weist aber deutlich darauf hin, dass die Anwaltsregularien für solche "law firms" nicht greifen:

Haften dann wenigstens die Gesellschafter-Geschäftsführer?
Als Anwalt fallen einem natürlich sofort etliche Gründe ein, warum es sehr gut begründbar ist, dass die beiden Inhaber und Geschäftsführer der Limited für den Schaden persönlich haften müssen. Zum Beispiel das Stichwort Organisationsverschulden: Man darf einem einzelnen Mitarbeiter nicht die Möglichkeit geben, über solche Summen allein zu verfügen, vor allem nicht, wenn es sich um treuhänderisch verwahrtes Fremdgeld handelt. Hier müssen zwingend Sicherheitsmechanismen eingebaut sein (etwa Überweisungen nur mit Freigabe durch zwei Personen o.ä.). Entweder hat Herr Jamie Cockwell die ganzen 2,5 Millionen Euro in ein oder zwei Tagen veruntreut, dann waren keine Sicherheitsmeachanismen eingebaut. Oder er hat über einen längeren Zeitraum mittlere Beträge verschwinden lassen. Dann liegt Überwachungsverschulden vor, weil es offenbar niemandem aufgefallen ist.
Auch das Fehlen einer Haftpflichtversicherung, die den Fall abdeckt, kann man bei solchen Treuhandgesellschaften als schuldhaft ansehen.
Aber solche Durchgriffsfälle auf Geschäftsführer einer Limited (GmbH) sind kompliziert. Zudem sind wir beim Sachverhalt momentan noch auf Spekulationen angewiesen, weil WDS keine Details darüber mitteilt, über welchen Zeitraum und wie genau Jamie Cockwell die 2,5 Millionen Euro veruntreut hat. So oder so: Von professioneller Compliance oder "client care duties" keine Spur bei WDS.
Die Mandanten haben zudem das Problem, dass jede Art von Prozess in England ein Vermögen an Anwaltskosten verschlingt. Jede englische Kanzlei, die sich ernsthaft und detailliert mit dem Fall beschäftigen soll, würde einen Vorschuss in der Dimension 25.000 Pfund aufwärts verlangen. Ein Zivilprozess würde 100.000 Pfund aufwärts kosten. Immer mit dem Risiko, dass die Diamonds und Herr Cockwell am Ende Insolvenz erklären. Die Limited (egal ob 2005 oder 2021) sowieso.
Ich persönlich halte es auch für nicht unmöglich, dass die Diamonds mit Jamie Cockwell unter einer Decke stecken.
Wir versuchen jetzt, eine englische Solicitor-Kanzlei für den Fall zu gewinnen und in UK Medienaufmerksamkeit herzustellen. Es ist jedenfalls absurd, wie die Briten für ihr ach so tolles Justizsystem werben, wenn gleichzeitig derart abstruse Fälle von Veruntreuung durch "law firms" ungesühnt bleiben.
Das Motto von WDS bleibt: Dreistigkeit siegt!
Sind die beiden Akteure Michael und Debra Diamond wenigstens geläutert? Versuchen Sie alles, um den Schaden wenigstens zu mindern und - vor allem - lassen sie die Tätigkeit als "Will Writers" nun endlich bleiben?
Keine Spur. Sie haben - wie dargestellt - mit der WDS Ltd 2021 eine neue, fast identische Company hochgezogen, die versucht, nahtlos in die Fußstapfen der alten WDS zu steigen. Die maximale Chuzpe dabei ist, dass die 2021 gegründete neue Limited die "Qualitätssiegel" der alten WDS Ltd 2005 fortführt. Hier noch einmal - weil man es im Kontext von 2,5 Millionen veruntreuten Geldern kaum fassen kann, die Titel in voller Pracht. Allen voran (Gespür für unfreiwillige Ironie ist den Diamonds offenbar fremd), der Titel "MOST OUTSTANDING PROBATE YEAR 2020". Das ist nämlich wohl genau das Jahr, in dem die Gelder verschwunden sind!

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