
Vorsicht bei der Auswahl Ihres Rechtsberaters in Großbritannien
Die meisten Deutschen, die auf der Website eines Rechtsberaters in England die Begriffe "lawyer", "legal consultant", "legal services" oder gar "law firm" lesen, dürften wohl ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass man es mit englischen Rechtsanwälten zu tun hat, also mit Solicitors oder Barristers. Was soll "law firm" denn bitte sonst bedeuten?
Nun, weit gefehlt!
Wo in England, Wales oder auch Schottland "law firm" oder "legal services" drauf steht (Website, Briefpapier, Visitenkarte, Broschüre), muss kein Anwalt drin sein! Denn die Bezeichnungen "legal services", "lawyer" oder "law firm" sind in England nicht geschützt, also gerade nicht exklusiv den echten britischen Rechtsanwälten mit Anwaltszulassung vorbehalten, den Solicitors und Barristers (zum Unterschied der beiden Anwaltstypen siehe hier: Barrister oder Solicitor: Wer ist der Boss?).
Das englische Recht ist in Sachen Rechtsdienstleistungen (legal services) viel großzügiger als das deutsche Recht. Was von vielen englischen Verbraucherschutzverbänden seit Jahrzehnten kritisiert wird. Stand heute gilt aber das "lasche" Rechtsdienstleistungsgesetz mit folgendem Inhalt.
Prinzipiell darf in England jeder rechtliche Beratung durchführen
Die englische Law Society erklärt auf ihrer Website (hier) in der Rubrik "Practising law in England and Wales" ohne alle Umschweife klipp und klar, dass prinzipiell jeder Rechtsdienstleistungen erbringen darf, auch wenn er oder sie nie einen Jura-Hörsaal von innen gesehen hat. Zitat:
"It is not necessary to be a solicitor, barrister or other recognised professional in order to practise law in England and Wales. Anyone is free to offer legal advice and services in England and Wales, in any law, including English law, with only the following restrictions: ..."
Es gelten nach dem englischen Rechtsdiensleistungsgesetz, dem Legal Services Act 2007, also im Wesentlichen nur zwei Einschränkungen:
- Man darf sich ohne gültige Anwaltszulassung nicht als "Solicitor" oder "Barrister" bezeichnen, sehr wohl aber als "lawyer" oder "legal consultant", ja - wenn man frech genug ist, sogar als "legal expert".
- Man darf auf keinem der "speziell geschützten Rechtsgebiete" (reserved areas of law) tätig werden. Hier sind die Details im Legal Services Act 2007 kompliziert. Die Law Society hat diese geschützten Rechtsgebiete, die für Nichtanwälte tabu sind, auf ihrer Website etwas verdaulicher zusammengefasst (hier)
Nachteile und Risiken der nichtanwaltlichen Rechtsberater
Es bleiben außerhalb der "reserverd areas" also noch genug Gebiete übrig, auf denen die Rechtsberater ohne Jurastudium und ohne Zulassung tätig sein können, insbesondere zum Beispiel der Bereich der Beratung rund um die Testamentsgestaltung (Will Writers) und rund um Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen (Lasting power of attorney), Details zur englischen Vorsorgevollmacht hier.
Welche katastrophalen Folgen es haben kann, wenn man solche unregulierten "Will Writers" mit seinem Testament und vor allem mit der Abwicklung seines Nachlasses beauftragt, zeigt das Beispiel der "WDS Associates Legal Services Ltd", die Mandantenfremdgelder von insgesamt sage und schreiben 1,6 Millionen Pfund (also rund 1.9 Millionen Euro) veruntreut hat, darunter auch eine halbe Million Euro, die eine deutsche Familie im Raum Würzburg von ihrer englischen Tante geerbt hatte. Das Geld ist nun verschwunden. Der Fall wird hier ausführlich geschildert: Englische Pseudoanwälte prellen deutsche Familie um halbe Million Erbschaft
Warum steht man als Mandant besser, wenn man eine "echte" Anwaltskanzlei in England beauftragt?
- Nun, als Rechtsanwalt behaupte ich mal einfach, dass die 6-7 Jahre Jurastudium und Referendariat schon den einen oder anderen Wissensvorsprung vermitteln gegenüber einem autodikatischen "legal consultant".
- Aber selbst wenn der nichtanwaltliche Rechtsberater fachlich kompetent sein sollte, hat er oder sie keine Berufshaftpflichtversicherung, die etwaige Schäden des Mandanten abdeckt. In absoluten Notfällen, wo auch die Anwaltshaftpflicht nicht reguliert, greift dann sogar noch der Haftungsfonds der englischen Anwaltskammer (SRA Compenation Fund). All diese Schutznetze haben unregulierte "law firms" nicht.
Fazit:
Augen auf bei der Anwaltswahl in UK. Nicht überall, wo "law firm" drauf steht, ist auch ein echter Anwalt drin. Suchen Sie auf der Website der Kanzlei dezidiert nach der Berufsbezeichnung Solicitor (einen Barrister werden Sie kaum direkt mandatieren) und nach der Mitgliedsnummer bei der Solicitors Regulation Authority (SRA).
Der Gesetzgeber in Schottland will das Problem der "unqualifizierten Rechtsberater" übrigens aktuell (wieder einmal) in Angriff nehmen und den Rechtsdienstleistungsmarkt in Schottland verschärfen. Details dazu im Artikel der The Law Society Gazette vom 22.5.2025 mit der Überschrift: Scotland to ban unqualified advisers from calling themselves 'lawyers'
Weitere Informationen zum Anwaltsberuf in England:
- Barristers: Die englischen Edel-Anwälte
- Vormittags Staatsanwalt nachmittags Strafverteidiger - für englische Anwälte ganz normal
- Was ist ein "Solicitor Advocate" in England
- Wie viele Anwälte gibt es in England
- Mein Anwalt trägt eine Perücke
- Warum ist es so umständlich englische Anwälte zu mandatieren?
- Solicitors, Barristers und Solicitor Advocates – wer darf eigentlich was?

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